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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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weltweiten Skandal um Priester auf, die Kinder und Jugendliche missbraucht haben? Lockert er den Zölibat, der Priestermangel verursacht? Lässt er Frauen für höhere kirchliche Ämter zu, wenn schon nicht zur Priesterweihe?
    Diese Papstwahl war eine Zäsur: Franziskus ist der erste Südamerikaner auf dem Stuhl Petri, der erste Nichteuropäer seit 1272 Jahren – der bisher letzte war der Syrer Gregor III ., der von 731 bis 741 amtierte. Er ist der erste aus dem Jesuitenorden und der erste Ordensmann seit fast zwei Jahrhunderten – zuletzt war 1831 Bartolomeo Capellari aus dem Eremitenorden der Kamaldulenser als Gregor XVI . gewählt worden; er starb 1846. So werden an diesen neuen Papst hohe Erwartungen geknüpft – und er hat sie selbst geweckt.
    Schon die Namenswahl war ein starkes Signal. Seit dem 10. Jahrhundert ist es üblich, dass Päpste ihren Geburtsnamen ablegen und einen neuen annehmen. Im Jahr 983 fand es ein gewisser Petrus Canepanova im Hinblick auf den Apostel anmaßend, seinen Taufnamen beizubehalten und als Petrus II . zu firmieren – er reihte sich lieber als Johannes XIV . ein.
    Abgesehen von Johannes Paul I ., der erstmals einen Doppelnamen wählte, um auf seine beiden Vorgänger Johannes XXIII . und Paul VI . Bezug zu nehmen, haben neue Päpste bisher fast immer auf bereits durchnummerierte Altvordere zurückgegriffen. Das zeugt von Tradition und Kontinuität. Sich einen bisher noch nie dagewesenen Papstnamen zuzulegen zeigt jedoch an, dass da einer einen neuen Anfang wagen will. Im Fall Franziskus klingt das wie eine Kampfansage.
    Franz von Assisi war ja nicht nur der selbstlose Menschenfreund, der buchstäblich sein letztes Hemd verschenkte, und ein früher Ökologe, der den Tieren predigte und im berühmten »Sonnengesang« die Schöpfung pries, sondern auch »jemand, der die Kirche aufgemischt hat«, wie der Unternehmensberater und Buchautor (»Schafft sich die katholische Kirche ab?«) Thomas von Mitschke-Collande sagt.
    Lehren und Leben des Mannes aus Assisi enthielten ein regelrecht »subversives, ein revolutionäres Element«, betont der renommierte Franziskus-Forscher Helmut Feld. »Wenn Franziskus von sich selbst, den Oberen des Ordens und den kirchlichen Amtsträgern die tiefste Selbstdemütigung verlangt, dann wird damit die hierarchische Struktur des Ordenswesens und der gesamten Kirche gewissermaßen konterkariert.«
    Nur auf den ersten Blick erscheint es daher frappierend, dass bisher noch kein Papst auf die Idee gekommen war, sich nach Franz von Assisi zu benennen, der doch einer der populärsten Heiligen ist, Schutzpatron Italiens, der Umweltschützer und der Tierärzte. Offensichtlich haben sich bisher alle Heiligen Väter gescheut, die Ideale dieses seltsamen Weltverbesserers zum päpstlichen Programm zu erklären.
    Erstaunlicher ist, dass sich Franziskus trotz seiner Herkunft aus der selbstbewussten Societas Jesu nach dem Gründer des konkurrierenden Franziskanerordens benannt hat, dessen Mitglieder sich demütig als »Minderbrüder« bezeichnen. Jesuiten waren im 16. Jahrhundert die Speerspitze der Gegenreformation, dann Kampftruppe gegen die europäische Aufklärung, sie gelten als Elitekader des Katholizismus. Neben Armut, Keuschheit und Gehorsam verpflichten sich ihre Ordenspriester zusätzlich zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst.
    Der Name Franziskus, erläuterte der Theologe Manfred Becker-Huberti nach der Wahl Bergoglios im Kölner Domradio, stehe »für Aufmüpfigkeit und Querdenken« und »auch für etwas, was es im Vatikan relativ selten gibt: Schlichtheit, Einfachheit, kein Reichtum«.
    Franz von Assisi (um 1181 bis 1226) stammte aus einem wohlhabenden Elternhaus, hatte in seiner Jugend ein ausschweifendes Leben geführt und war gewillt gewesen, für den Papst in einen Krieg gegen die staufischen Kaiser zu ziehen. Doch dann legte er die Waffen nieder, verschenkte sein Vermögen, verzichtete auf sein Erbe und gründete einen Orden von Wander- und Bußpredigern. »Der Mann der Armut, der Mann des Friedens« sei sein Namenspatron gewesen, sagt Papst Franziskus. Und, fügt der neue Pontifex hinzu, er wünsche sich »eine arme Kirche für die Armen«.
    So eine eben, wie sie Franz von Assisi vorschwebte. Angeblich hat der im Jahr 1205 während eines Gebets die Stimme Christi gehört: »Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, ganz und gar in Verfall gerät.« Auf diese Vision hin habe er Baumaterial erbettelt und eigenhändig eine

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