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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Frankreich und Süditalien besuchte er. Mit seinen Auftritten vor Ort untermauerte Leo eindrucksvoll den Anspruch, als römischer Bischof die Kirche zu führen. »Wie der Kaiser ›vom Sattel aus das Reich regierte‹, so dieser Papst die abendländische Christenheit«, konstatierte der Historiker Werner Goez.
    Sein Primatsanspruch brachte Leo IX . in Gegensatz zu den altkirchlichen Patriarchaten in Antiochia, Alexandria, Jerusalem und vor allem in Konstantinopel. Orient und Okzident hatten sich schon lange entfremdet. Zum ersten tiefen Riss zwischen Ost und West war es bereits mit der Krönung Karls des Großen durch Papst Leo III . im Jahr 800 gekommen. Der Kaiser in Konstantinopel, der sich als rechtmäßigen Erben der römischen Herrscher betrachtete, war brüskiert.
    Auch eine sprachliche Kluft erschwerte das gegenseitige Verständnis. Die zur Zeit der Urkirche im gesamten Mittelmeerraum gebräuchliche Weltsprache Griechisch hatte seit Jahrhunderten ihre Bedeutung verloren. Im Westen sprach man fast nur Latein, das den griechischen Patriarchen als barbarisch galt.
    Ein theologischer Streit entzündete sich an einem Zusatz zum nicänisch-konstantinopolitanischen Glaubensbekenntnis aus dem Jahr 381: Die römische Kirche hatte eingefügt, dass der Heilige Geist nicht nur aus Gott, dem Vater, sondern ebenso aus Christus, dem Sohn (»filioque«), hervorgehe. Für die Ostkirche war der Alleingang Roms nicht akzeptabel. Auch in Liturgie und Glaubenspraxis gab es Differenzen. Im Westen wurde ungesäuertes, im Osten gesäuertes Brot zum Abendmahl verwendet; in manchen östlichen Gemeinden verdünnte man den Messwein mit heißem Wasser, andernorts galt das als Sakrileg; im Osten heirateten die Priester, im Westen setzte sich der Zölibat durch.
    Anfang 1053 erhielt Leo IX . eine dem byzantinischen Patriarchen Michael Kerularios zugeschriebene Streitschrift. Darin hieß es, sowohl die Verwendung ungesäuerten Brotes (»Azymen«) als auch das Fasten am Samstag seien Relikte des jüdischen Glaubens, insofern seien die Lateiner keine reinen Christen. Mit dieser Provokation, mit der er den päpstlichen Unfehlbarkeitsanspruch in Frage stellte, suchte Michael Kerularios seine innerkirchliche Autorität zu stärken. Auch gegenüber dem schwächlichen Kaiser Konstantin IX . wollte er ein Zeichen setzen, denn der ließ dem Papst nach Kerularios’ Geschmack viel zu großen politischen Spielraum.
    Seit Beginn des 11. Jahrhunderts waren aus Nordwestfrankreich stammende Normannen immer weiter nach Süditalien vorgedrungen und hatten bereits weite Teile des von Byzanz beherrschten Apulien erobert. Leo IX . versprach dem Gouverneur der Provinz seine Hilfe unter der Bedingung, dass die dortigen, bisher östlichen Kirchen den westlichen Ritus übernähmen – womit de facto in dem Gebiet die römische Kirchenhoheit hergestellt worden wäre.
    Obwohl Kaiser Heinrich III . dem Papst militärische Hilfe versagte, zog Leo IX . mit einem Söldnerheer gegen die Normannen in die Schlacht. Im Juni 1053 erlitt er bei Civitate eine vernichtende Niederlage. Nun schien der Papst doch noch einen Kompromiss in den strittigen religiösen Fragen mit dem byzantinischen Patriarchen zu suchen. Michael Kerularios signalisierte Zustimmung. Kaiser Konstantin IX . war ohnehin nicht abgeneigt, ein Bündnis mit dem Papst gegen die Eindringlinge zu schließen, machte dies aber von einem Kirchenfrieden zwischen Rom und Byzanz abhängig.
    Leo IX . schickte deshalb eine dreiköpfige Abordnung unter Führung von Kardinal Humbert von Silva Candida nach Konstantinopel, wo sie im April 1054 eintraf und vom Kaiser ehrenvoll empfangen wurde. Gegen den Patriarchen erhob die Delegation jedoch schwere Vorwürfe der Häresie.
    Weil Michael Kerularios nicht Abbitte leisten wollte, legten die Römer schließlich am 16. Juli 1054 eine Bannbulle auf dem Altar der Hagia Sophia nieder. Der Patriarch und seine Anhänger wurden damit exkommuniziert, der Kaiser und, wie es wörtlich hieß, die angesehenen Bürger Konstantinopels jedoch als rechtgläubig bezeichnet. Die päpstliche Delegation wollte den Kaiser auf ihrer Seite haben, auch damit Kerularios entmachtet würde. Der wiederum versuchte sich zu behaupten und hetzte das Volk gegen den Kaiser auf. Konstantin musste einer Gegenbannung der lateinischen Legaten zustimmen.
    Erst in der Folgezeit verhärtete sich das »Morgenländische Schisma«, vor allem als römische Kreuzfahrer im Jahr 1204 Konstantinopel eroberten und plünderten.

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