Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
war die Tochter des wohl mächtigsten Mannes in Rom, des Theophylakt von Tusculum, und der schönen, machtbewussten Theodora. Als »schamlose Hure, von der Hitze der Venus entflammt«, hat der Kirchenhistoriker Liutprand von Cremona die Marozia später verunglimpft. Er war allerdings ein misogyner Bischof, der Frauen generell keinen Einfluss in der Kirche einräumen wollte. Für ihn und die meisten Papsthistoriker stehen Theodora und Marozia deshalb auch für die »Pornokratie«, die Hurenherrschaft, die ihnen als Tiefpunkt des »Saeculum obscurum« zwischen dem ausgehenden 9. und der Mitte des 11. Jahrhunderts gilt.
In jener dunklen Zeit, aus der wenig Genaues überliefert ist, waren die Päpste einflusslose Darsteller im Machtgefüge aus römischen Aristokraten, italienischen Königen und deutschen Kaisern. Die Stellvertreter Christi wechselten schnell und lebten gefährlich. Von 882 bis 1046 wurde jeder dritte der 45 Päpste des Amtes enthoben, ein weiteres Drittel landete im Kerker, wurde verbannt oder ermordet.
Legenden
DIE PÄPSTIN
Sie tauchte erstmals im 13. Jahrhundert in Chroniken auf und dient bis heute als Heldin in Romanen und Spielfilmen: die mysteriöse Päpstin Johanna, die als Johannes Anglicus im 9. Jahrhundert die Kirche regiert haben soll und von deren Geschichte es viele Variationen gibt.
In Mainz wuchs sie angeblich als Tochter eines strengen Pfarrers und einer zwangsbekehrten Wikingerin auf. Sie schlüpfte in die Identität ihres toten Bruders, studierte in England und avancierte in Rom zur Hausärztin des Papstes. Im Jahr 855, heißt es, sei sie zum Papst gewählt worden, fast drei Jahre lang habe sie als Pontifex amtiert.
Hans Sachs dichtete 1570 eine »Historia von Johanne Anglica der Bäbstin«: »Jedoch sie sich in mitler zeit / Widerumb befleckt mit unkeuschheit / Sich an ein Diener hat gehangen / Vom dem sie hat ein Kind empfangen.«
Ihr Ende hat 1250 ein französischer Dominikaner in der ersten Schilderung der Päpstin so beschrieben: »Eines Tages, als sie vom Pferd stieg, gebar sie ein Kind. Sogleich banden die römischen Richter ihre Füße an den Schweif des Pferdes, doch indessen steinigten die Leute sie über mehr als eine halbe Wegstunde.«
Bereits im 19. Jahrhundert führte der katholische Theologe Ignaz von Döllinger in seinem Buch »Papst-Fabeln des Mittelalters« aus, dass die Geschichte von der Päpstin eine Legende ist. Der Mainzer Bibliothekar Helmut Hinkel hat das kürzlich noch einmal in aller Deutlichkeit bekräftigt. Gleichwohl konnte er eine Vielzahl von Belegen präsentieren, wie die Geschichte von der Päpstin mit immer weiteren Details ausgeschmückt wurde. Nach der Darstellung eines italienischen Humanisten aus dem 15. Jahrhundert etwa erschien der Satan höchstselbst, als die Päpstin niederkam, und rief: »Pater, pater patrum, pererit papissa papellum«: »Der Papst, Vater der Väter, gebar als Päpstin ein Päpstchen.«
Ebenso erfunden ist der Zweck des »Kotstuhls«: Nach der Peinlichkeit mit der Päpstin Johanna hätten neugewählte Kirchenführer durch ein Loch in der Sitzfläche des Möbels ihre Männlichkeit unter Beweis stellen müssen.
Als Marozia ein schönes Mädchen von 15 Jahren war, führte ihre Mutter Theodora sie dem 30 Jahre älteren Papst Sergius III . zu. Der war mit nicht besonders christlichen Methoden auf den Papstthron gelangt: Er hatte mit seinen Soldaten Rom erobert und seine beiden Vorgänger einsperren und umbringen lassen. Auf der Höhe seiner Macht schwängerte er Marozia, die ihm einen Knaben gebar.
Marozia heiratete den Markgrafen Alberich von Spoleto, den der Bastard nicht weiter störte. Sie begann, wie es der Historiker Hans Kühner formulierte, »umsichtig Päpste einzusetzen, abzusetzen, zu morden und zu gebären«.
Marozia nannte sich »Senatrix et patricia Romanorum« und kannte keine Verwandten: Nachdem ihre Mutter Theodora gestorben war, ließ sie deren vormaligen Geliebten Papst Johannes X . kurzerhand absetzen, in der Engelsburg einkerkern und ersticken. Die beiden Nachfolger des Unglücklichen ließ Marozia auch ermorden, damit der Papstthron für ihren ersten Sohn frei wurde. Der Spross des Papstes Sergius III . wurde 931 mit Anfang zwanzig zum Papst gewählt und nannte sich Johannes XI .
Auf dem Papstthron angekommen, arrangierte er zunächst die Scheidung seiner Mutter von ihrem zweiten Mann, Wido von Tuszien, damit diese dessen Halbbruder König Hugo von Italien heiraten konnte, der es auf die Kaiserkrone
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