Die Pan-Trilogie, Band 3: Die verborgenen Insignien des Pan (German Edition)
Augen. Zweimal musste Hanna sich die Hände waschen, bevor sie meiner Mutter helfen durfte, mir das Kleid anzuziehen.
»Ein Traum, Lilia. Ist das nicht ein Traum? Es steht dir hervorragend! Genauso hatte ich es mir vorgestellt!«
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte. Das Kleid war wirklich wunderschön, aber ich fühlte mich unwohl. Obwohl ich Lagen von Stoff an mir trug, kam ich mir halb nackt vor. Am Oberkörper lag es eng an und betonte Körperstellen, die ich lieber im Verborgenen gehalten hätte. Erst weiter abwärts fielen die Bahnen so um die Beine, dass keine Haut zum Vorschein kam.
Meine Mutter zerrte an den Schnüren am Rücken, obwohl ich bereits scharf die Luft einzog. Ich bemühte mich, in dieser Position zu verharren, bis alle Knoten gemacht waren. Ein Traum in Blau. Man konnte nur hoffen, dass kein Windstoß den Rock hochwehte.
Hanna knotete die Bahnen rechts und links vom Hals und an den Ellbogen zusammen, sodass die Schultern frei waren. »Du siehst traumhaft aus, Lilia.«
»Braucht ihr noch meine Hilfe?«
»Nein, danke Hanna. Den Rest schaffen Lilia und ich allein. Du musst dich sicher auch noch fertigmachen.« Hanna nickte, verabschiedete sich mit einer Verbeugung und verschwand.
»Du hättest ruhig netter sein können, Mutter. Das Kleid ist wunderschön.«
»Ja, da hast du recht. Aber sie muss nicht wissen, welche Frisur du hast, sonst kommt sie noch auf die Idee, es dir gleich zu tun.«
Ich verdrehte die Augen.
»Bist du soweit?«, hörte ich meine Mutter ein paar Stunden später fragen. Sie hatte sich schön gemacht. Na ja, schöner als sonst. Ihre Haare fielen ihr wallend um die Schultern und sie hatte sich eine Blume hineingesteckt, passend zu ihrem violetten Kleid, das meinem Vater so an ihr gefiel.
Sie drehte mich Richtung Fenster, um genügend Licht für meine Haare zu haben. Draußen herrschte bereits reges Treiben. Menschenscharen kamen den steilen Weg vom Dorf hinauf aufs Plateau, um sich die Deligo anzuschauen. Jede Woche machten sie sich auf, um unserem Heiligtum, dem Stein der Erde , ihre Dankbarkeit zu zeigen und Geschenke darzubieten oder zu beten. Doch heute kamen sie, um die Königsmädchen zu sehen. Sie trugen ihre feinsten Kleider und auf ihren Gesichtern breitete sich bereits Vorfreude aus. Heute würden sie die erste Runde der Deligo sehen. Heute würde sich herausstellen, welche jungen Mädchen in den Tempel zogen.
Freiwillig war die Deligo für keine von uns, schließlich wusste noch niemand, wer der neue Oberste war. Noch nicht, denn auch das würde sich heute offenbaren. Meine Mutter nannte es Glück , zur richtigen Zeit im richtigen Alter zu sein. Sie meinte, dass es viele hübsche Mädchen gab, die nicht die Möglichkeit bekamen, in den Tempel zu ziehen, weil der jeweils herrschende Oberste so alt wurde. Ich hatte also Glück . Vor wenigen Tagen war unser bisheriger Oberster Thymus zusammen mit seinen Männern tot im Wald aufgefunden worden. Einzelheiten wollte mein Vater uns nicht erzählen, als er die furchtbare Botschaft brachte. Man hatte ihm angesehen, dass es eine schreckliche Tat gewesen war. Ich hatte Thymus nicht ausstehen können, aber den Tod hatte ich ihm nicht gewünscht. Nur vier Jahre war er an der Macht gewesen, nicht gerade lang für eine Zeit, in der Frieden unter den Völkern herrschte.
Und so stand ich nun da, zur richtigen Zeit, im richtigen Alter, mit blauen Bändern im Haar.
»Und?«, fragte meine Mutter mit einem strahlenden Lächeln und schaute mich im Spiegel an.
»Wundervoll«, entgegnete ich kühl. Ich war nervös. Am liebsten hätte ich an meinen Fingernägeln gekaut, doch ich wusste, dass sie das nur wütend machen würde. Sie legte mir Reifen um den Oberarm und die Handgelenke und kniff mir hart in die Wangen, damit sich diese röteten. »Aua!«
»Das muss sein, stell dich nicht an. Bevor der Oberste dich sieht, machst du das noch mal. Verstanden?«
Ich nickte. Sie warf einen raschen Blick in den Spiegel und kniff sich dann ebenfalls in die Wangen. Abschließend suchte sie die passende Schminke für sich selbst. Sie ist so schön. Ich wickelte eine ihrer Strähnen um meinen Finger, während sie violettes Puder auf ihre Augenlider auftrug.
»Mama, warst du damals sehr traurig, als dich der Oberste nicht gewählt hat?«, fragte ich vorsichtig.
Sie lächelte. »Nein, das war ich nicht.«, ihr Gesicht zuckte kurz. »Urticas war ein hartherziger Mensch. Als ich gesehen habe, wie schlecht er seine Auserwählte
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