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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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entlang den mächtigen Mauern, die ein unüberwindliches Bollwerk zwischen der Stadt und ihrem leicht zu erobernden Umland darstellten.
    Die Sonne war bereits milchig geworden und tief gesunken. Händler, denen sie unterwegs begegnet waren und die zweifellos aus Konstantinopel kamen, hatten ihnen berichtet, dass die Tore der Stadt bei Einsetzen der Dämmerung geschlossen wurden. Der Zeitpunkt änderte sich jeden Tag und an jedem Tor etwas, und das lag anscheinend an den einzelnen Offizieren, die für den entsprechenden Abschnitt der Stadtmauer die Verantwortung trugen. Wie die Kaufleute, die Arnulf und seine Begleiter getroffen hatten, ihnen erzählten, wurden für diese Posten zurzeit nur noch Waräger genommen – Angehörige der aus Nordmännern bestehenden Leibgarde des Kaisers. Niemandem sonst schien man noch zu trauen. Auch wenn gerade ein brüchiger Frieden herrschte, fürchtete man sich hinter den mächtigen Mauern des zweiten Roms doch ständig vor den Angriffen der Bulgaren – und davor, dass Wächter bestochen wurden und feindliche Kämpfer ins Innere der Stadt drangen und vielleicht einen Brand legten. Obwohl die Stadt so gut wie ausschließlich aus Steinhäusern errichtet war, gehörte ein Feuer zu den wenigen Gefahren, denen ihre Bewohner kaum etwas entgegensetzen konnten.
    Der andere Feind, gegen den die Mauern nichts auszurichten vermochten, waren Seuchen, die die Stadt Konstantins immer wieder heimsuchten. Diese Seuchen kamen mit den Schiffen, und da es wohl an keinem Ort der Welt mehr Schiffe gab als in den Häfen von Konstantinopel, war es wenig verwunderlich, dass sich hier nicht nur Waren und Güter, sondern auch die Krankheiten der ganzen Welt sammelten.
    Fra Branaguorno hatte sich unterwegs eingehend bei den Händlern erkundigt, ob derzeit eine Epidemie in der Stadt herrschte. Für diesen Fall hätte der Mönch vorgeschlagen, in einer der kleineren Ortschaften des thracischen Umlandes abzuwarten, wie sich die Dinge entwickelten.
    »Von diesen Schrecknissen habe ich nie etwas gehört!«, hatte Arnulf gestanden.
    Und in Fra Branaguornos Gesicht war daraufhin ein verhaltenes weises Lächeln erschienen. »Alle möglichen Nachrichten und Erzählungen machen sich von einem Ort wie diesem in alle Himmelsrichtungen auf den Weg. Erzählungen von goldenen Kuppeln und Schiffen, die griechisches Feuer speien. Geschichten von den Ratten in den engen Gassen und dem Gestank des Todes, der sich ausbreitet, wenn die Seuchen kommen … Aber offenbar haben es solche Berichte nicht bis nach Magdeburg geschafft!«
    »Wann wart Ihr das letzte Mal in der großen Stadt?«, fragte Arnulf.
    »Oh, das ist schon einige Jahre her. Eigentlich hätte ich Bischof Bernward von Würzburg begleiten sollen, als er zur Brautwerbung für Kaiser Otto aufbrach … Aber man brauchte, wie so oft, meine Dienste dringend anderweitig …«
    »Wie üblich!«, meinte Arnulf.
    Wenig später erreichten sie das Xylokerkos-Tor.
    Die Wächter waren Normannen. Sie sprachen ein Griechisch, das in den Ohren von Männern wie Branaguorno barbarisch klingen musste.
    »Wer seid Ihr und was wollt Ihr in der Stadt?«, fragte der Offizier – ein baumlanger Waräger mit blauen Augen und blonden, zu Zöpfen geflochtenen Haaren, die unter seinem Helm hervorquollen.
    »Wir besitzen ein Empfehlungsschreiben für Johannes Philagathos, der zurzeit am Hof von Kaiser Basileios weilt …«
    »Die halbe Stadt heißt Johannes«, meinte der Waräger. »Von dem Euren habe ich nichts gehört. Zeigt mir einfach Euer Dokument, dann sehen wir weiter.«
    Fra Branaguorno holte den Brief hervor und reichte ihn dem Offizier. Der blonde Hüne faltete ihn auseinander und blickte mit gerunzelter Stirn auf die Reihen von Buchstaben. »Das ist Latein, kein Griechisch«, stellte er fest.
    »Bei allen Heiligen, dies muss wahrhaftig eine Stadt der Wunder sein, wenn hier sogar die Nordmänner lesen können!«, entfuhr es Gero erstaunt.
    Der Waräger hatte das gehört. »Saxland?«, fragte er.
    »Ja, daher kommen wir«, bestätigte Arnulf, obwohl Branaguorno ihm eigentlich eingeschärft hatte, sämtliche Verhandlungen am Tor seinem Griechisch sprechenden Begleiter zu überlassen. Schon deshalb, weil Branaguorno nicht zum ersten Mal in der Stadt des Konstantin weilte und sich auskannte, wie man mit den Wachoffizieren umgehen musste. Im Notfall hätte er sogar gewusst, wen man bestechen konnte, um zu bekommen, was man wollte.
    Allerdings hatten sich die Verhältnisse offenbar

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