Die Papiermacherin
Drittel des Jahres eine Mückenplage!«
Das Anwesen der D’Antonios umfasste ein großzügig angelegtes Haupthaus und mehrere Nebenhäuser, in denen zum Teil auch die Bediensteten untergebracht waren. Li bekam Räumlichkeiten in einem der Nebengebäude zugewiesen.
»Ich werde Euch alles herbringen lassen, was Ihr braucht!«, erklärte Lorenzo. »Zunächst natürlich vor allem ein paar Möbelstücke und ein Bett. Und danach müsstet Ihr mir eine Liste all dessen zusammenstellen, was Ihr zum Papiermachen braucht.« Er wandte sich an Fra Branaguorno. »Das wird natürlich ein paar Tage in Anspruch nehmen, bis dahin werden sich für Euch alle Gemächer im Haupthaus finden, und was Euren blinden Dienstboten angeht, so mag er hier schlafen und essen, solange er will, wie selbstredend auch Ihr, Fra Branaguorno!«
»Ich danke Euch«, erwiderte der Mönch.
»Für Euch gilt die Einladung natürlich auch, Arnulf von Ellingen«, wandte sich Lorenzo an den sächsischen Ritter. »Und ich kann mir denken, dass Ihr dieses Angebot gerne etwas ausdehnen werdet – oder rufen Euch Eure Verpflichtungen dem Kaiser gegenüber vielleicht gar zu schnell von hier fort?«
Fra Branaguorno antwortete, bevor Arnulf etwas sagen konnte. »Wir werden in ein paar Tagen weiterziehen, sobald wir uns Pferde und Reiseproviant besorgt haben.«
»Ja, der harte Weg über die schneebedeckten Alpen … Darum seid Ihr nicht zu beneiden.«
Li hörte dem Gespräch der Männer nur mit halbem Ohr zu. Sie durchschritt den kahlen Raum, in dem außer einer bereits ziemlich morschen Truhe keine Einrichtungsgegenstände zu finden waren. Das Gebäude diente wohl schon seit Längerem keinem bestimmten Zweck mehr. Allerdings gab es an den Wänden ein paar zotige, wenn auch ziemlich verblasste Malereien von sehr eindeutiger Natur. Ihre bildnerischen Eigenarten wiesen eine verblüffende stilistische Ähnlichkeit zu den Werken der Ikonenmaler auf, nur dass sie einem ganz und gar weltlichen Thema gewidmet waren.
Li fragte sich, welchem Zweck diese Räumlichkeiten ursprünglich gedient haben mochten. Beherbergte hier vielleicht einer von Lorenzos heldenhaften Ahnen eine Geliebte? Oder befassten sich Vorfahren der D’Antonios auch mit weniger ehrenhaften Gewerben, bevor sie am Raub der Gebeine eines Heiligen teilnahmen?
Aber das alles war Li im Augenblick ziemlich gleichgültig. Sie sah nur den weiten Raum und die Tatsache, dass er wie geschaffen für ihre Werkstatt war. Hier fand sich Platz genug, um später einmal fünf oder sechs Gesellen arbeiten zu lassen. Dazu kamen zwei Nebenräume und das Obergeschoss. Li stellte sich vor ihrem inneren Auge bereits vor, wo sie eine Presse hinstellen konnte, wo die Bottiche hinpassten, wo der beste Ort war, um Lumpen aufzubewahren. Wenn man ins Freie trat, waren es nur ein paar Schritte zu einer unerschöpflichen Wasserquelle – der Lagune selbst.
Lorenzo hatte sich ihr unterdessen genähert, und als er sie ansprach, wäre sie beinahe zusammengeschreckt, so sehr war sie in ihre Vorstellungen vertieft.
Er deutete grinsend auf die Malereien an der Wand. »Ihr braucht nicht zu erröten, Evangelia. Es ist eine Kleinigkeit, dafür zu sorgen, dass die Wände überstrichen oder mit Wandteppichen verhängt werden.«
»Gibt es in Eurer Stadt Apparate, um Weintrauben zu pressen?«, fragte Li, die überhaupt nicht auf Lorenzos Bemerkung einging.
»Wein? Den presst man hier mit den Füßen, soweit ich weiß. Allerdings gebe ich gerne zu, dass ich Wein in erster Linie trinke und mich nicht sonderlich dafür interessiere, wie man ihn behandeln muss, damit er zu dem wird, was er ist. Für mich kommt Wein aus dem Fass – und wann immer Ihr durstig sein solltet, sagt Bescheid! Unsere Keller sind gut gefüllt!«
»Ich frage das aus einem anderen Grund«, erwiderte Li. »Ich brauche eine Presse – und in Konstantinopel gab es Weinpressen. Mit wenig Aufwand kann man sie verändern und dem Zweck angleichen, für den ich sie brauche.«
»Wir werden gewiss eine Lösung finden«, war Lorenzo überzeugt. »Da könnt Ihr ganz unbesorgt sein!«
»Das freut mich zu hören.«
»Es läge mir viel daran, wenn Ihr Euer Werk möglichst schnell aufnehmen könntet, denn dann werden sich weitere Geldgeber finden, die in dieses Geschäft einsteigen möchten.«
»Aber zuerst schließen wir einen Kontrakt«, forderte Li. »So wie wir es in Konstantinopel vorhatten und wie es dann aufgrund unserer überstürzten Flucht nicht mehr zustande
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