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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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So viel Haschisch, dass ich nicht mehr an deine baldige Abreise denken müsste, gibt es in ganz Bagdad nicht.«
    »Warte hier!«
    Arnulf ging in die Apotheke. Durch den halb geöffneten Fensterladen warf Li einen Blick ins Innere. Die Alabasterblende war etwas zur Seite verschoben. Ein ziemlich großer, beleibter Mönch stand hinter einem dunklen Tisch und war gerade damit beschäftigt, eine Mixtur herzustellen, die er mit einem Spatel durchmischte.
    Beide sprachen in der Mundart der Venezianer miteinander und wechselten dann in jenes Idiom, das Li als die Sprache der Sachsen erkannte. Offenbar stammte der Mönch aus Arnulfs Heimat. Wenig später trat der Ritter aus Saxland ins Freie. »Bist du neugierig?«, fragte er.
    »Ich hätte mich mehr anstrengen sollen, deine Sprache zu erlernen, dann wüsste ich jetzt, was du im Schilde führst. Dieser Apotheker war wohl auch ein Sachse!«
    »Ein Angelsachse aus Britannien, den es hierher verschlagen hat, wo er seit Langem die Apotheke des Hospitals von San Marco führt … Und nun sieh her!« Er holte eine kleine, fein gearbeitete Silberdose hervor, auf deren Oberseite eine stilisierte Rose über gekreuzten Schwertern eingraviert war. Darunter stand in lateinischen Buchstaben ELLINGIUS, wohl die latinisierte Namensform jenes Geschlechts, aus dem Arnulf stammte.
    »Diese Dose hat mir meine Großmutter geschenkt, als ich ein Junge war und sie im Sterben lag. Die Dose hat mich lange begleitet, eingenäht in mein Wams, wo sie nicht einmal Thorkilds Bluthunde gefunden haben!«
    »Ich kann das nicht annehmen«, sagte Li.
    »Doch, du kannst, und du wirst dich immer an unsere Liebe erinnern, wenn du sie in der Hand hältst.«
    Er nahm ihre Hand, legte die Silberdose hinein und schloss zärtlich ihre Finger darum.
    »Arnulf …«
    »Die Dose ist keineswegs leer«, sagte er lächelnd. »Nach all der Bitterkeit habe ich von dem Angelsachsen dort drin das Passende hineinfüllen lassen!«
    »Was?«
    »Öffne sie!«
    Li gehorchte. Sie klappte den Deckel auf und erblickte graubraune Kristalle in der Dose.
    »Was macht man damit?«
    »Schmecke es!«
    Li nahm eines der Kristalle heraus, berührte es erst mit den Lippen und legte es dann auf ihre Zunge. Der Geschmack ähnelte dem von Honig.
    »Das ist Zucker!«, sagte Arnulf. »So etwas gibt es noch nicht lange hier in Venedig, und ich habe auch keine Ahnung, woher es kommt. Die letzten Silberstücke habe ich dafür ausgegeben, die Fra Branaguorno mir überließ, so wertvoll ist es, und es soll ein Lagerhaus hier in Venedig geben, das nur Zucker enthält und stärker bewacht wird als die Schätze des Dogen …«
    Li spürte die Süße auf ihrer Zunge. Aber da war auch der Geschmack von Salz an ihren Lippen. Und der kam von ihren Tränen.
     

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Ein neuer Anfang
     
     
     
    In den nächsten Wochen und Monaten trug Li die Silberdose stets bei sich, und manchmal, wenn ihr Gemüt schwer wurde und auch die viele Arbeit sie nicht abzulenken vermochte, nahm sie ein wenig von dem Zucker. Als die Dose leer war, suchte sie die Apotheke des Angelsachsen auf, um sie wieder auffüllen zu lassen.
    Seinem Blick konnte Li ansehen, dass er die Silberdose wiedererkannte. Vielleicht war es Einbildung, aber sie hatte das Gefühl, dass der Wunsch, den er ihr mit auf den Weg gab, mit besonderer Herzlichkeit ausgesprochen wurde. »Der Herr sei mit Euch und behüte Euch!«
    »Inzwischen bin ich mir nicht mehr ganz sicher, ob auf den Herrn wirklich Verlass ist«, erwiderte Li. »Aber das soll Euch nicht bekümmern.«
    »So wie den Herrn Jesus das Leben aller Menschen bekümmert hat, so sollte es auch bei allen sein, die ihm nachzufolgen versuchen«, sagte der Mönch. »Das Mittel, das Ihr nehmt, scheint Eure Seele nicht so aufzuhellen, wie es nötig wäre, um die Herrlichkeit Gottes wieder erfassen zu können.«
    »Das mag wohl sein«, gestand Li zu. Dann fiel ihr etwas ein. »Wie ist Euer Name?«
    »Ich bin Bruder Æthenius.«
    »Ihr sprecht doch die Sprache der Sachsen, nicht wahr?«
    »Ich spreche die Sprache so, wie man sie in Britannien spricht, und kann einen Mann aus Alt-Sachsen verstehen. Ganz dasselbe ist es nicht.«
    »Ich würde gerne von Euch in regelmäßigen Abständen in dieser Sprache unterrichtet werden. Immer ein paar Wörter und deren Gebrauch und stets nur dann, wenn es meine Zeit zulässt.«
    »Ich bin mir nicht sicher, ob ich ein guter Lehrer wäre!«
    »Darauf kommt es nicht an«, sagte Li. »Aber Ihr würdet

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