Die Papiermacherin
damit vielleicht helfen, meine Seele so aufzuhellen, dass sie wieder in der Lage ist, die Herrlichkeit des Herrn zu erfassen. Und Ihr sollt es nicht umsonst tun!«
»Ihr könnt etwas für den Unterhalt unseres Hospitals spenden. Ich selbst will kein Geld, denn ich habe mich schließlich zur Armut verpflichtet.«
»Einverstanden«, sagte Li, und ein versonnenes Lächeln ging ihr über das Gesicht. Ob sie sich wirklich einen Gefallen damit tat, die Sprache Arnulfs zu erlernen? Vielleicht vergrößerte es auch nur den Schmerz – wie es ganz sicher bei der Silberdose und ihrem Inhalt der Fall war. Aber anscheinend suchte sie diesen Schmerz, und es fiel ihr leichter, mit ihm zu leben als ohne ihn.
»Wartet noch«, rief Bruder Æthenius hinter ihr her, als sie die Apotheke schon fast verlassen hatte.
Sie blieb stehen und drehte sich um.
»Ihr wünscht?«
»Wie ist Euer Name?«
Um ein Haar hätte Li »Evangelia« gesagt, doch sie brachte diesen Namen aus irgendeinem Grund jetzt nicht über die Lippen. Die gute Nachricht – das erschien ihr im Moment wie blanker Hohn.
»Kennt Ihr einen Frauennamen, wie er bei den Sachsen üblich ist?«
»Ich kenne viele.«
»Einen, der die Silbe Li enthält – am Anfang, am Ende oder in der Mitte, das soll mir gleichgültig sein.«
»Wie wäre es mit Liutgert?«, fragte Bruder Æthenius.
Li begann zu lächeln. »Dann nennt mich Liutgert, Bruder Æthenius.«
Die Arbeiten an ihrer Werkstatt machten gute Fortschritte, sah man davon ab, dass entgegen Lorenzo D’Antonios Zusagen niemand kam, um die Wandmalereien zu übertünchen oder mit Teppichen zu verhängen, und es sich bei dem zur Verfügung gestellten Mobiliar zum Teil um Stücke handelte, die wurmstichig oder morsch und damit unbrauchbar waren.
Li fertigte Listen an, auf denen sie alles aufschrieb, was sie benötigte. Allerdings war manches davon nicht leicht zu beschaffen. Auch dauerte es Wochen, ehe sie einen Schmied fand, der über genügend Geschick in der Drahtzieherei verfügte. Eine Presse war vorerst nicht aufzutreiben. So etwas schien in Venedig wie im Umland vollkommen unbekannt zu sein. Dafür gab es in der Umgebung der Stadt ein Handwerk, von dem Li noch nie zuvor gehört hatte: die Glasbrennerei.
Li wurde zum ersten Mal auf das durchsichtige und gleichzeitig wasserdichte Material im Haupthaus der D’Antonios aufmerksam. Dort stand eine gläserne Vase mit frischen Blumen auf einer Fensterbank, und Li beobachtete, wie am Vormittag die Sonnenstrahlen hindurchfielen und das Gefäß zum Funkeln brachten. Außerdem gab es im Obergeschoss einen Raum, dessen Fenster mit Glas verschlossen war, sodass das Tageslicht ihn durchfluten konnte. Einer der D’Antonio-Söhne war anscheinend ein begabter Baumeister und nutzte diesen Raum, um seine Zeichnungen anzufertigen. Er hieß Michele und nahm selten an den gemeinsamen Mahlzeiten und Festessen teil. Li lernte ihn erst kennen, als sie bereits Wochen im Palazzo der D’Antonios lebte.
Es hätte wahrscheinlich noch weitere Wochen gedauert, ihn kennenzulernen, wenn Li nicht die Tür zu dem Gemach, das sie im Haupthaus bewohnte, mit der Tür zu Micheles Raum verwechselt hätte, was bei der großen Anzahl von Zimmern kaum verwunderte, die an den einander sehr ähnlichen Korridoren lagen.
Ihr Gespräch war eigenartig gewesen.
»Ihr seid die Papiermacherin, nicht wahr?«
»So ist es.«
»Wann fangt Ihr mit der Herstellung an?«
»Sobald alles fertig ist.«
»Ich brauche Euer Papier dringender als sonst jemand. Vor allem benötige ich Bogen in erheblicher Größe! Könnt Ihr so etwas?«
»Darin habe ich Erfahrung. Aber vielleicht könntet Ihr mir helfen.«
Die meiste Zeit über hatte Lis Blick dem Fenster gegolten. Aus diesem Material mussten sich vortreffliche Gefäße für all die Stoffe formen lassen, mit denen sie fertige Papiere bestreichen konnte, um ihre Oberfläche zu verbessern oder einfach nur zu verschönern. Sie sprach Michele darauf an und fragte ihn, wo es Handwerker gebe, die Gefäße aus Glas anfertigten.
Michele sah nun erstmalig von seiner Arbeit auf, einem Plan, den er mit Silberstift auf ein großes Pergament gezeichnet hatte und von dem Li sich nicht im Entferntesten vorzustellen vermochte, zu was für einem Bauwerk er gehören könnte.
»Das macht jeder Glasbrenner in der Gegend. Nehmt den preiswertesten«, sagte er. Er musterte sie einen Moment lang. »Ist noch irgendetwas?«
»Ich frage mich, an welchem Bauwerk Ihr arbeitet!«
»Es ist ein
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