Die Papiermacherin
und Sohn zugeht. Und manchmal ist sogar dieser Guiseppe dabei, Nicolas älterer Bruder, der ebenfalls auf Lorenzo einredet.«
»Könnte es sein, dass die Geschäfte der D’Antonios nicht so gut gehen, wie es erst den Anschein hatte?«
»Nein, das glaube ich nicht.« Dann ging ein Ruck durch Li, und sie runzelte die Stirn. »Woher weißt du denn, dass die Wachen verdoppelt wurden? Gesehen hast du sie ja wohl nicht!«
»Ich bin blind – aber nicht taub. Ich hörte, wie einer der Wächter darüber sprach, dass sie in Zukunft doppelt so viele Männer brauchen und dass ein paar kräftige Kerle angeworben werden sollen, die Waffen tragen können! Mehr habe ich leider nicht verstanden!«
»Immerhin – und dabei hast du dich doch mit Händen und Füßen gewehrt, um ja kein Wort dieser hässlichen venezianischen Sprache lernen zu müssen!«
Christos zuckte die Schultern. »Man hört ja hier kaum etwas anderes, da lässt es sich nicht verhindern, dass mal ein Wort hängen bleibt …«
In der Nacht hörte Li einen Knall. Sie war auf ihrem Platz in der Werkstatt eingeschlafen, während sie die Vorzeichnung für ein Wasserzeichen angefertigt hatte. Da schlug etwas Leuchtendes durch das zur Lagune hin ausgerichtete Fenster und blieb in der gegenüberliegenden Wand stecken. Es war der Bolzen einer Armbrust. Draußen schallten Stimmen. Kampfeslärm und Schreie mischten sich.
Li war sofort hellwach. Sie schnellte hoch. Jemand trat die Tür auf. Eine Fackel wurde hereingeworfen. Die Papierstapel fingen augenblicklich Feuer, ebenso die verschiedenen Harzsorten und die trockenen Lumpen. Einen Lidschlag später loderte eine der Alabasterblenden auf.
Für Momente sah Li einen Mann, der ein Tuch um den Kopf geschlungen hatte, sodass nur die Augen frei blieben. Dann war er verschwunden.
Li erfasste mit Schrecken, dass es keinen Sinn hatte, noch löschen zu wollen. Sie hustete, konnte durch den Rauch kaum atmen. Taumelnd versuchte sie, zur Tür zu gelangen. Sie rang nach Luft. Alles drehte sich vor ihren Augen, als sie endlich das Freie erreichte. Es war immer noch so heiß, dass sie glaubte, gleich verglühen zu müssen. Sie sank zu Boden, während dicke Rauchschwaden eine dunkle Säule bildeten, die schräg zum Himmel emporstieg und das Licht des Mondes verfinsterte.
Der Kampfeslärm ebbte ab. Undeutlich sah Li mehrere Männer davonrennen. An Seilen kletterten sie über die Umgrenzungsmauer des Palazzo.
»Sie haben Boote!«, rief jemand. »Sie fliehen mit ihren Booten!«
»Hinterher!«
»Das geht nicht! Jemand hat die Taue gelöst! Alle Gondeln sind fortgetrieben!«
Li hörte die heiseren Schreie wie aus weiter Ferne. Sie kroch über den Boden, um aus dem infernalischen Bannkreis von Hitze und Qualm herauszukommen.
Im sich mehr und mehr verfinsternden Mondlicht sah sie ein paar verrenkte Körper reglos am Boden liegen. Li richtete sich langsam auf. Das Haus, in dem die Werkstatt gewesen war, stand in hellen Flammen. Sie züngelten aus den Fenstern heraus und loderten bereits bis zum Dachstuhl empor.
Und dann sah Li im Schein der Flammen den unnatürlich verdreht daliegenden Körper eines Mannes, der einen Stock mit der Hand umklammert hielt, als müsste er ihm noch im Tode den Weg weisen.
»Christos!«, schrie Li. Sie rannte zu ihm. Er musste aus seiner Unterkunft bei den Dienstboten herausgelaufen sein, als der Überfall begann. Ein Armbrustbolzen in der Brust hatte ihn zu Boden gestreckt. »Nein!«, schrie Li. »Herr, warum lässt du das zu?«
Bis zum Morgengrauen saß Li neben dem Toten – starr und wie betäubt. Die Flammen tobten sich unterdessen an dem Haus mit der Werkstatt aus. Auf andere Gebäude konnte das Feuer nicht übergreifen, dazu standen sie zu weit entfernt. Nur die Schutzmauer des Palazzo war ein ganzes Stück weit rußgeschwärzt.
Lorenzo D’Antonio kam auf sie zu und blieb ein paar Schritte entfernt stehen. »Es ist vorbei«, sagte er. »Es wird keine Papierherstellung in Venedig geben – jedenfalls nicht durch die Familie D’Antonio.«
Li stand auf. Sie musste ein Zittern unterdrücken. »Was sagt Ihr da?«, flüsterte sie.
»Es gibt eine Familie, die Papier aus Alexandria einführt und ihren Handel ausweiten will. Sie hat vergeblich versucht, unsere Herstellung verbieten zu lassen, was misslang, weil mein Vater einige wichtige Männer bestochen hat. Wir dachten, dass damit alles ausgestanden wäre, aber wir haben uns geirrt.«
»Und niemand bringt diese Mörder vor Gericht!«, rief
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