Die Papiermacherin
verloren.«
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Nach Magdeburg
»Es ist bedauerlich, dass Ihr uns verlasst, Liutgert«, sagte Æthenius. »Ihr habt im Umgang mit den Kranken genauso viel Geschick bewiesen wie beim Herstellen und Mischen der Arzneien.«
»Ich danke Euch für Eure freundlichen Worte«, erwiderte Li. »Und dafür, dass Ihr mir über den Winter geholfen habt.«
Sie trug ein einfaches Kleid und hatte ein Bündel mit wenigen Habseligkeiten unter dem Arm. Von dem Silber aus der abgebrannten Werkstatt im Palazzo D’Antonio war ihr nichts geblieben. Lorenzo D’Antonio hatte es an sich genommen und gegen angebliche Kosten aus der Papiermacherei aufgerechnet.
»Mir scheint, Ihr seid wohl weder umzustimmen noch aufzuhalten«, meinte Æthenius.
»Das stimmt. Und auch Eure furchteinflößenden Geschichten über die Alpen schrecken mich nicht so sehr, dass ich die Reise deshalb nicht wagen würde.«
»Es ist eine Reise ins Ungewisse.«
»Ich komme vom anderen Ende der Welt. Was sollte ich noch fürchten? Der Herr hat mir vieles gegeben und wieder alles genommen. Ich besitze nichts und weiß nicht, wohin es gehen wird. In dieser Lage bin ich nicht zum ersten Mal – aber diesmal bin ich wenigstens keine Sklavin, sondern frei.«
»Und vielleicht sucht Ihr ja noch einen Reisegefährten!«, ließ sich eine Stimme durch das verblendete Fenster hindurch vernehmen. Li fuhr herum und sah hinter dem Alabaster nur einen Schattenriss. Doch die Stimme hatte sie beim ersten Wort erkannt.
»Arnulf!«, flüsterte sie. Dann rannte sie zur Tür hinaus.
Der Mann, der vor dem Fenster stand und offenbar einen Teil des Gesprächs mit angehört hatte, sah sie mit seinen grünen Augen an. Meergrün, dachte Li. So konnte man diese Farbe beschreiben. Seit sie wusste, was ein Meer war, zog sie diesen Vergleich.
Einen Augenblick lang trafen sich ihre Blicke, dann umarmten sie einander. Sie schlang die Arme um seinen Oberkörper und hielt ihn, so fest sie konnte.
»Ich war zuerst bei den D’Antonios, um mich nach dir zu erkundigen«, verriet er.
»Dann weißt du ja, dass es dort keine Werkstatt mehr gibt.«
»Es wird eine andere geben, an einem anderen Ort.«
»Vielleicht – jenseits der Alpen?«
»Warum nicht?«
»In Magdeburg?«
»Auch dort gibt es schreibende Mönche, die sich für die Vorzüge des Papiers sicher gewinnen ließen!«
»Ich weiß nicht, ob ich die Kraft hätte, so etwas noch einmal aufzubauen.« Sie lächelte matt, seufzte und löste sich von ihm. »Es ist wohl nur ein schöner Traum – genauso wie ein Leben an der Seite des Mannes, den ich liebe. Aber der wird leider für eine andere Frau da sein müssen …«
»Nein, das wird er nicht«, widersprach Arnulf und strich sanft über ihre Wange.
»Heißt das, du wirst dein Eheversprechen gegenüber dieser Woda von Ostfalen nicht einhalten?«
»Das heißt, dass wir auf dem Weg über die Alpen viel Zeit haben werden, uns zu unterhalten. Ich werde dir alles erklären, was du wissen willst.«
Arnulf kaufte bei den Bauern auf dem Festland ein zweites Pferd, dann machten sie sich auf nach Norden. Die Wege, die über das große Gebirge führten, kannte der Ritter zur Genüge. Oft genug war er vom Regnum Teutonicorum nach Italien gereist oder umgekehrt. Nachts kampierten sie manchmal im Freien, aber hin und wieder fanden sie auch ein Gasthaus. Allerdings wurden die Herbergen immer seltener, je weiter es in die Alpen hineinging.
Dass Woda, die Arnulf versprochen gewesen war, so plötzlich starb, hatte der Ritter knapp erwähnt. Nun berichtete er ihr die Einzelheiten. »Ich möchte dich heiraten«, sagte er dann und wirkte sehr entschieden dabei.
»Bin ich nicht von zu niedrigem Stand?«, fragte Li.
»Das kümmert mich nicht. Außerdem gehöre ich nicht zu jenen, die versuchen, ihre Ländereien und Ämter durch Heirat zu vermehren.«
»Aber ist diese Methode nicht dem Gebietsgewinn durch Krieg vorzuziehen?«
Arnulf lachte. »Du verwickelst mich in die Fallstricke deiner Fangfrage.«
»Der du dich ganz gewiss zu entwinden weißt!«, glaubte sie.
»Fra Branaguorno hat übrigens ein paar Proben deiner Arbeit von einem zum anderen gehen lassen«, sagte Arnulf.
»Und woher hatte er diese Blätter?«
»Von mir. Ich habe ihn darum gebeten. Ganz unabhängig von dir und deiner Kunst des Papiermachens zweifle ich nicht daran, dass die Zeit des Papiers auch nördlich der Alpen kommen wird …«
Die Reise nach Magdeburg war lange nicht so
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