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Die Papiermacherin

Titel: Die Papiermacherin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Conny Walden
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und von einem Mosaik aus Falten überzogen, die Haare mit grauen Strähnen durchwirkt. Offenbar waren sie Vertraute des Vaters, und es war dem jüngeren Toruk anzumerken, welche Vorbehalte er ihnen gegenüber empfand.
    Stundenlang ritten sie durch die Wildnis, bis sie auf kleinere Ansammlungen von Bäumen stießen. Das Harz, das man ihnen entnehmen konnte, war zumeist minderwertig, wie Li schnell feststellte. Manche dieser Bäume hatten Beutel aus gegerbten Rinderhäuten an den Stamm gebunden und waren bereits vor Monaten angeritzt worden. Aus dem Harz in den Beuteln kochten die Uiguren wohl Pech und Lampenöl. Für die Papierherstellung eignete es sich nur bedingt. Papier, das damit bestrichen war, hätte in Xi Xia vielleicht gerade noch zum Verpacken von getrockneten Früchten Verwendung gefunden, aber kein Beamter oder gar ein hoher Würdenträger würde darauf sein Zeichen oder gar sein Siegel setzen. Li konnte jedoch nicht wählerisch sein. Und das, was im Reich der Mitte als minderwertig gelten würde, mochte für den älteren Toruk dennoch die Kraft einer ganz besonderen Magie haben. Einer Magie, die als einzige den Tod zu überwinden versprach, denn genau das wollte der alte Stammesführer letztlich erreichen, indem er seine Taten aufschreiben ließ. Der jüngere Toruk gab Li ein Messer. Damit ritzte sie die Rinde auf und ließ das Harz in einen mitgebrachten Beutel laufen.
    Die neuen Siebe für Li und Gao zu flechten ließ Meister Wang sich nicht nehmen. Allerdings war auch hier ein Machtwort des älteren Toruk notwendig, um das nötige Rosshaar zu bekommen. Für den Rahmen nahm man Holz von ein paar Fässern, die auf verschlungenen Pfaden hierher gelangt waren und wohl die unterschiedlichsten Dinge beherbergt hatten. Li hoffte nur, dass der faulige Geruch des Holzes nicht auf das Papier überging.
    »Unseren Auftraggeber wird das am wenigsten stören«, meinte Gao zuversichtlich.
    Gepresst wurden die Blätter mit schweren Steinen. Die anderen Gefangenen mussten sie von weither heranschleppen oder, wenn sie zu schwer waren, über den Boden schleifen. Um die Feuchtigkeit aus den mühsam geschöpften Blättern herauszubekommen, brachte man dicht gewebte und sehr saugfähige Satteldecken zwischen die einzelnen Papierlagen.
    Aber die ersten fertigen, beschnittenen Blätter bekam der ältere Toruk nicht mehr zu Gesicht. Eines Morgens machte die Nachricht im Dorf die Runde, dass ihn in der Nacht der Schlag ereilt hatte.
    Die Steine, mit denen die Blätter gepresst worden waren, kamen nun auf das Grab des alten Anführers. Ein Grab ohne Inschrift. Das Buch des älteren Toruk würde nie geschrieben werden.
    »Die Götter scheinen nicht auf unserer Seite zu sein«, murmelte Li leise, während sie auf das nun nutzlos gewordene Schöpfbecken blickte, in dem der Papierbrei bereits zu einer bröckeligen, porösen Masse zu trocknen begann, die entfernt an ein riesenhaftes Wespen- oder Hornissennest erinnerte.
    »Nein«, widersprach Wang. »Wir haben nur noch nicht erkannt, was sie für uns bestimmt haben …«
     

Fünftes Kapitel

Auf dem Weg in die Stadt der Bücher
     
     
    Etwa eine Woche später traf eine Karawane von zwanzig Kamelen im Lager ein. Der jüngere Toruk war inzwischen der unbestrittene Anführer. Aber er hielt offenbar nicht viel von dem Gedanken, die Taten seines Vaters in einem Buch verewigen zu lassen.
    Der Karawanenführer war ein Turkmene namens Babrak, ein Mann mit dunklen Augen und graumeliertem Bart, der seinem Gesicht etwas Keilförmiges gab. Li glaubte, ihren Augen nicht zu trauen, als sie ihn an der Spitze der Karawane ins Lager ziehen sah. Babrak ritt auf einem kleinen, stämmigen Steppenpferd, genau wie einige bewaffnete Begleiter, deren Aufgabe es war, die Karawane zu schützen, die aus den schwer beladenen Kamelen und ihren Treibern bestand.
    »Ist das ein Traum, oder sehe ich da Babrak den Feilscher?«, entfuhr es Li.
    Gao, der gerade damit beschäftigt war, seine Kleidung notdürftig zu reinigen, blickte auf.
    »Doch, er ist es«, brummte er. »Aber frag mich nicht, ob das ein gutes Zeichen ist, Li!«
    »Warum sollte es kein gutes Zeichen sein?«
    »Nur weil Babrak der Feilscher in Xi Xia keinen Markt auslässt und wir schon des Öfteren gute Geschäfte mit ihm gemacht haben, heißt das nicht, dass der Kerl jetzt nicht die Gelegenheit für einen Handel nutzt, bei dem wir die Ware sind.«
    »Und wenn schon«, murmelte Li. »Alles ist besser, als hierzubleiben und vielleicht noch einmal

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