Die Papiermacherin
einen blutigen Schädel vor die Füße geworfen zu bekommen, den ich zubereiten soll!«
Unterdessen sahen sie zu, wie Babrak der Feilscher von seinem Pferd stieg und den jungen Toruk begrüßte. »Allah ist groß!«, rief Babrak in gebrochenem Persisch. »Nur die Reichweite meiner Karawane ist größer!«
Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dass es sich wirklich um denselben Mann handelte, dem Meister Wang schon ganze Ballen von Seidenlumpen abgekauft hatte, dann war er jetzt zweifellos erbracht. Denn dies war der übliche Spruch von Babrak dem Feilscher, den er in vier oder fünf Sprachen beherrschte und mit dem er nicht selten einen muslimischen Glaubensbruder zum Stirnrunzeln brachte, der einer strengeren Auslegung seiner Religion folgte. Vor allem auf Perser und Araber traf dies zu, während bei den Völkern entlang der Seidenstraße der Glaube an Allah weder mit demselben missionarischen Eifer noch mit der gleichen Sittenstrenge gelebt wurde.
Im Gefolge von Babrak dem Feilscher bemerkte Li einen Mann in brauner Kutte und mit einem Kreuz aus Holz auf der Brust. Ein christlicher Mönch, erkannte sie. Er war offenbar kein Gefangener, sondern reiste mit der Karawane. Die Kameltreiber und Babraks Männer behandelten ihn mit großem Respekt. Allerdings ging er zu Fuß. Seine Habe war lächerlich gering und passte in ein kleines Bündel, das er bei sich trug. Bart und Haare schien er seit Jahren nicht mehr geschoren zu haben, beides reichte ihm fast bis zur Höhe des Bauchnabels und war ausgesprochen verfilzt. Viele unvorstellbar ekelhafte Gerüchte kursierten über die mangelnde Sauberkeit der Menschen des Westens. Diese Gerüchte waren die Seidenstraße entlanggewandert und hatten sich über Xi Xia bis nach Bian verbreitet.
Der junge Toruk und Babrak der Feilscher einigten sich anscheinend schnell, denn es dauerte nicht lang und die Strenge wurde zu den Gefangenen geschickt. Sie wies Meister Wang, Gao und Li auf ihre gewohnt unfreundliche Art an, sich reisefertig zu machen.
»Euer Papier taugt ja vielleicht noch zum Feuermachen!«, meinte sie.
Etwas später kam Babrak der Feilscher zu ihnen, um sich seine Ware anzusehen. »Sei gegrüßt, Meister Wang! Und dein Geselle und deine Tochter natürlich ebenso! Dass wir uns unter diesen Umständen wiedertreffen, muss Allahs Wille sein … Du solltest dir übrigens nicht wünschen, nach Xi Xia zurückzukehren, denn dort sind Unruhen ausgebrochen und die Zukunft des Reichs ist ungewiss. Es ist nicht einmal gesagt, wann ich das nächste Mal bis Bian gelangen und Seide kaufen werde, denn der Weg ist derzeit zu unsicher.«
»So sollen wir dir für unsere Lage auch noch dankbar sein?«, entfuhr es Meister Wang, der ausnahmsweise einmal die Fassung zu verlieren drohte.
»Hör zu, Papiermacher, ich weiß um die Qualität deines Handwerks. Ich werde einen guten Preis für dich bekommen, wenn ich dich in Samarkand abliefere, denn dort ist der Hunger nach Papier unersättlich. Dich hätte ein schlimmeres Los ereilen können! Vergesst übrigens nicht, eure Siebe mitzunehmen. Es kann sein, dass ihr sie schon bald benutzen werdet.«
Schon am nächsten Morgen brach die Karawane auf. Babrak der Feilscher schien es eilig zu haben, weiter nach Westen zu gelangen, und Li bekam mit, dass er Toruk den dringenden Rat gab, das Lager so schnell wie möglich abzubrechen und ebenfalls weiterzuziehen, denn nicht nur die Unruhen würden sich ausdehnen, sondern auch ein Fieber, verbunden mit starkem Durchfall. Es gab also mehrere Gründe, sich westwärts zu wenden.
Li hatte ein Bündel mit ihren wenigen Habseligkeiten geschnürt. Darunter war auch das Sieb aus Rosshaar, das ihr Vater für sie angefertigt hatte.
»Bewahre es gut auf«, sagte er. »Neben dem Wissen um unsere Kunst ist das Handwerkszeug das Wichtigste …«
»Ich weiß«, sagte sie und raffte es unter ihre unförmige Kleidung.
Die Sonne stieg als glutroter Feuerball hinter den Bergen im Osten auf, während die Karawane sich in Bewegung setzte. Die anderen Gefangenen sahen ihnen nach, denn Babrak der Feilscher nahm nur die drei Papiermacher mit.
»Ich frage mich, ob er sich mehr Gefangene nicht leisten konnte oder ob er wirklich glaubt, dass er mit uns ein besonders gutes Geschäft machen kann!«, rätselte Gao.
»Was immer auch kommt, wir werden das Beste darin erkennen müssen«, sagte Meister Wang. »Eine andere Wahl bleibt uns nicht, denn jede Form der Auflehnung kostet nur Kraft. Und vielleicht das
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