Die Patin
wart, meine ich.«
Mimi schüttelte ratlos den Kopf »Ach, wir haben von so vielen Dingen geträumt, von einer Farm in Afrika, einer Weltumsegelung, einem Weingut in Kalifornien, wir wollten in den Höhlen von Yucatán nach dem Gold der Mayas tauchen, uns vom Geheimdienst als Agenten verpflichten lassen, Abenteuerromane verfassen, bei Paris-Dakar mitmachen, eben lauter so'n Zeug.«
»Na toll«, sagte ich. »Dann ist Ronnie also jetzt entweder in Afrika, Kalifornien oder Paris.«
»Oder er ist nur zu seiner Mutter gezogen und will dir einen Schrecken einjagen«, sagte Trudi, die ihre Selbstmordthese sichtlich ungern wieder hergab.
Mimi schüttelte den Kopf »Nein, das würde er nie tun.« Sie stöhnte. »Was soll ich denn jetzt machen?«
»Nichts«, sagte Anton. »Du wolltest ihn doch loswerden.«
»Ja, aber doch nicht so«, sagte Mimi.
»Wie denn?«
»Keine Ahnung«, sagte Mimi und las den Brief ein sechzehntes Mal. »Eben zivilisiert ... Und ich dachte, wir könnten Freunde bleiben.«
»Wie naiv bist du eigentlich«, sagte Anton kühl. »Hat er dir überhaupt nichts von seinen Plänen gesagt?«, fragte Mimi.
»Nein«, sagte Anton. »Ich wusste weder, dass er seinen Job gekündigt hat noch dass er vorhatte zu verreisen.«
»Mit nur einem Koffer!«, sagte Mimi.
»Aber selbst, wenn er es mir verraten hätte - ich hätte es ihm nicht ausgeredet«, sagte Anton. »Er ist doch jetzt ein freier Mann.«
»Jetzt hab ich's!«, rief Trudi. »Hat er eine Risiko-Lebensversicherung abgeschlossen?«
»Ja«, sagte Mimi. »Wir haben beide eine. Wieso?«
»Na, das liegt doch auf der Hand. Er will etwas Wildes und Gefährliches tun, dabei draufgehen und dich damit reich machen. Oh, ist das romantisch.«
»Das ist Quatsch«, sagte ich.
»Nein, ist es nicht«, sagte Trudi. »Ronnie muss das so machen, weil die von der Versicherung sonst nicht zahlen, bei simplem Selbstmord. Sonst würden das ja auch alle so machen: Lebensversicherung abschließen, sich mit Schlaftabletten voll stopfen, Wodka hinterherkippen - Happy End für die Hinterbliebenen. Was meinst du, wie schnell die Versicherungsgesellschaften Konkurs anmelden würden? Also geht das schon mal nicht. Aber Ronnie ist ja nicht dumm: Um Mimi die Lebensversicherung zu verschaffen, als letzten Liebesdienst in diesem Leben, gerät er bei seiner Weltumsegelung in einen Hurricane, oder er ertrinkt in den Höhlen von Yucatán, oder er verhungert zwischen Paris und Dakar - und niemand kann ihm Selbstmordabsichten nachweisen. Er stirbt als Held. Oh mein Gott, ich glaube, etwas Romantischeres habe ich noch nie in meinem ganzen Leben gehört.«
»Und ich noch nichts Schwachsinnigeres!«, rief ich ärgerlich.
»Ich weiß nicht«, sagte Mimi. »Vielleicht ist ja was dran an dieser Theorie. Ganz im Geheimen hat Ronnie so eine dramatische Ader ...«
»Auch egal«, sagte Anton. »Das ist seine Sache.«
»Wie bitte?« Ich sah ihn empört an. »Du meinst, wir sollten Ronnie seinem Schicksal überlassen? Du bist doch mit ihm befreundet.«
»Ja«, sagte Anton. »Aber er ist erwachsen. Und er kann tun, was er will.«
»Aber ...«, rief ich.
»Wir haben kein Recht, ihn von seinen Plänen abzubringen, wie immer diese aussehen«, sagte Anton.
»Aber ich bin seine Frau«, sagte Mimi. »Wenn er wirklich vorhat, bei irgend so einem Unsinn draufzugehen, dann geht mich das sehr wohl etwas an.«
»Vor ein paar Wochen noch hätte ich dir Recht gegeben«, sagte Anton. »Aber mittlerweile ...« Er zuckte mit den Schultern.
»Was willst du damit sagen? Dass es mich nichts mehr angeht, was dieser Mann mit seinem Leben macht?«, rief Mimi aufgebracht. »Also, das sehe ich ganz anders. Wir waren schließlich fünfzehn Jahre lang unzertrennlich ...«
»Ja, aber jetzt seid ihr getrennt, weißt du nicht mehr?«, sagte Anton. »Du wolltest ein Leben ohne Ronnie, Mimi. Jetzt musst du ihm auch ein Leben ohne dich zugestehen.«
»Doch nicht diese Art Leben«, sagte Mimi. »Er kann nicht einfach fortgehen und mich mit den Katzen, dem Haus, seinen CDs, seinem blöden Werkzeug und seinen Do-it-yourself-Büchern zurücklassen. Wie um Himmels willen soll ich das denn seiner Familie erklären?«
»Zeig ihnen einfach den Brief«, sagte Anton. Er gähnte. »Also, ich weiß nicht, wie es bei euch aussieht, aber ich für meinen Teil gehe jetzt nach Hause und hau mich aufs Ohr. Hier gibt es für uns nichts mehr zu tun. Mimi, wenn du meine Hilfe bei irgendwelchen Rechtsdingen brauchst, du kannst mich
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