Die Patin
kommt so viel herum und lernt tolle Menschen kennen.« Sie zwinkerte Anton zu. »Immer wieder neue ...«
»Es lebe die Abwechslung«, sagte Anton und zwinkerte zurück. Ich sah es ganz genau.
Frederike erzählte ein paar Anekdoten aus ihrem Berufsleben. Sie hatte einen wirklich interessanten Job. Als PR-Beraterin kam sie mit vielen Prominenten zusammen, Musikern, Schauspielern, Architekten, Politikern, Firmenbossen. Die Geschichten, die sie erzählte, waren durchaus amüsant. Alle lachten darüber, sogar ich, wenn auch nicht wirklich herzlich. Ich hätte ihr aber durchaus noch länger zuhören können, nur leider beugte sie sich unvermittelt vor und fragte: »Und was machen Sie beruflich, Constanze?«
Ich schluckte. Unter anderen Umständen hätte ich jetzt etwas erfunden. Oder ich hätte meine Sonnenbrille aufgesetzt und mit tiefer, heiserer Stimme gesagt: »Ich bin die Patin. Ich spreche nicht über meine Arbeit, capito?«
Ich überlegte, ob ich mein abgebrochenes Studium ins Feld führen sollte. Eigentlich bin ich Psychologin, jedenfalls so gut wie, aber- nein, das machte es auch nicht besser.
»Ich bin Hausfrau«, sagte ich.
»Oh.« Frederike hob ihre Augenbrauen beinahe bis zum Haaransatz. »Wie, äh, reaktionär! Wie alt sind Ihre Kinder denn?«
»Vier und vierzehn«, sagte ich. Reaktionär war doch nichts Gutes, oder doch? Ich benutzte das Wort selten, und wenn, dann im Zusammenhang mit George W. Bush.
»So alt schon? Und da haben Sie nie mal daran gedacht, in Ihren Beruf zurückzugehen?«, fragte Frederike. »Ich könnte mir vorstellen, dass es zu Hause ganz schön langweilig ist.«
»Mir nicht«, sagte ich. »Ich liebe es, Marmelade einzukochen.« Ach, das klang jetzt aber wirklich zu blöd.
Frederikes Blick sprach denn auch Bände. Oh, wie rückständig! Eine Frau, die lieber Marmelade einkochte, als einen Beruf auszuüben. Wie im Schock hatte sie wieder nach Antons Arm gegriffen. Der schien überhaupt nicht zu bemerken, dass sie ständig an ihm herumfingerte. Allmählich ging mir das auf den Wecker.
»Also, ich hasse Hausarbeit«, sagte sie. »Und dann kriegt man ja nicht mal Geld dafür.«
Ich wollte auf keinen Fall den Eindruck erwecken, dass ich es liebte, das Klo zu putzen oder zu bügeln. Aber gerade, als ich den Mund aufmachte, um alle möglichen Dinge zu erfinden, mit denen ich mir - außer putzen - den Tag vertrieb, erhielt ich überraschend Schützenhilfe von Polly.
»Also, ich finde das völlig in Ordnung, wenn eine Frau zu Hause bei den Kindern bleibt«, sagte sie. »Auch Vierzehnjährige profitieren von der Anwesenheit einer Mutter im Haus, und für Vierjährige ist sie sogar unverzichtbar. Dieses ganze Gerede von Selbstverwirklichung konnte ich noch nie verstehen. Man sieht ja an Antons Beispiel, wohin das führt, wenn Mann und Frau gleichzeitig Karriere machen wollen! Die Kinder bleiben auf der Strecke. Warum ist das Wort Hausfrau denn heute geradezu einSchimpfwort geworden? Als ob dafür nicht auch besondere Fähigkeiten vonnöten wären. Ich jedenfalls bin stolz darauf eine Hausfrau zu sein.«
»Bravo«, sagte Urs Körner. »Ganz meine Meinung. Eine Frau gehört an den Herd.«
Und nachdem wir das geklärt hatten, wollte er die Verträge zur Firmenübernahme unbedingt und sofort unter Dach und Fach bringen.
Polly bat die anderen zu einem Portwein nach nebenan ins Wohnzimmer.
»Und wir zwei könnten dabei unsere Schachpartie zu Ende spielen«, sagte Johannes zu mir. »Wie wär's, Zitrusfrisch bis unter den Rand?«
Manche Tage scheinen einfach kein Ende zu nehmen. Der heutige Tag war so einer.
»Okay«, sagte ich. »Bringen wir's hinter uns.«
»Unsere frische Meeresbrise, äh, Constanze war mal deutsche Meisterin im Schach«, sagte Anton zu Frederike, während Johannes ein paar Teller zusammenräumte und das Schachspiel seines Vaters aufstellte.
»Vizemeisterin«, verbesserte ich mechanisch, während ich meine Erinnerung an meine Cyberpartie mit kasparow34 und E4D4 zu aktivieren versuchte. »In meiner Jugend. Und nur in Schleswig-Holstein.«
»Mit dem Schachspielen ist es wie mit dem Fahrradfahren«, sagte Polly. »Man verlernt es nicht.«
»Wie war das?«, fragte Johannes, als er die Figuren genau so aufgestellt hatte, wie sie an dem Abend bei Anton gestanden hatten, als Julius das Mayonnaise-Schoko-Bon erbrochen hatte. »Noch zwölf Züge bis zum bitteren Ende?«
Ich nickte. Aber was soll ich Ihnen sagen? Es dauerte nur neun Züge bis zum bitteren Ende. Und es ging
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