Die Patin
wiederum höchstens siebzehn ist und aussieht, als ginge sie auf den Strich. Der Vater unterhält eine Kfz-Werkstatt im Hof, und der fünfzehnjährige Junge fährt ständig mit den Autos die Straße rauf und runter; wenn er nicht gerade mit Springmessern spielt oder mitseinem Skateboard parkende Autos demoliert. Seine jüngere Schwester klingelt täglich bei uns, will das Meerschweinchen streicheln und bietet uns ihre Babysitterdienste an, Sie heißt Melody und ihre Hobbys sind Fernsehen, Shakira und Vogelspinnen. Angeblich hat sie eine in ihrem Zimmer mit der sie uns gedroht hat, falls wir ihr Angebot nicht annehmen. Die Mutter ist überhaupt die Oberhärte. Man sieht sie selten, aber sie hat eine Vorliebe für Korsagen und Miniröcke, dabei ist sie mindestens vierzig, auch wenn sie sich gut gehalten hat. Jürgi vermutet, dass sie ebenfalls dem horizontalen Gewerbe nachgeht, und zwar in schwarzem Latex. Aus den Luxuskarossen zu schließen, die der Mann repariert, versorgt die Domina ihn mit zahlungskräftiger Kundschaft: reiche Perverse und Zuhälter mit Maserati und fetten Benzen. Sogar ein Ferrari war schon dabei. Es gibt noch zwei oder drei kleinere Kinder die den ganzen Tag Süßkram essen, Cola trinken und Straßenflohmärkte mit vermutlich geklauten Spielsachen veranstalten. Sie zerkratzen einem das Auto oder legen einem brennende Zeitungen mit Hundekacke drin vor die Tür; wenn man nichts kaufen will. Außerdem geistert da noch ein Großvater herum, der aussieht wie einer von den Marx Brothers, mit so einem dämlichen Strohhütchen, das er immer zieht, wenn er einem begegnet. Seit diese Kloses den Libellenweg bevölkern, kommt man sich vor als ob man mitten in den Slums wohnt! Der Zigarettenautomat an der Ecke ist auch schon aufgebrochen worden. Die Patienten von Ellens Mann trauen sich kaum noch in die Praxis. Ellen und ich haben schon über eine Unterschriftensammlung nachgedacht. Wer von euch macht mit? Diese Leute schränken schließlich die Lebensqualität aller Bewohner der Insektensiedlung ein. Ich sage nur: Kampfhunde und Hepatitis-C-Erreger richten sich nicht nach Straßenschildern. Und Fünfzehnjährige, die ohne Führerschein durch die Gegend gurken, gefährden eindeutigdas Leben unserer Kinder Ich denke nicht, dass wir uns das gefallen lassen müssen. Was meint ihr?
Sonja
Nellys absolut streng geheimes Tagebuch
17. Juni
Lara hat gesagt, dass sie es satt hat, sich mit unerwiderter Liebe herumzuquälen. Sie will versuchen, nicht mehr in Max verliebt zu sein, sondern stattdessen in Moritz. Sie sagt, das Leben würde dadurch viel einfacher werden. Ja, ihres vielleicht. Und das von Moritz. Aber was ist mit meinem Leben? Ich kann mich nicht mal eben umprogrammieren von Moritz auf Max wie einen blöden Computer. Max hat heute einen Liebesbrief von Pickelbacke Laura-Kristin bekommen, aber er wollte ihn mir partout nicht zu lesen geben, damit wir uns gemeinsam darüber amüsieren konnten. Er sagt, das gehört sich nicht. Gähn! Max macht immer so einen auf wohlerzogen und anständig, das ist so was von überhaupt nicht sexy, weiß er das denn nicht? Wenn Lara mit Moritz zusammenkommt, bleibt mir nur noch übrig, lesbisch zu werden, natürlich nicht mit Lara, denn das wäre ja komplett fatal. Aber lesbisch ist cool. Lesbisch ist intellektuell. Lesbisch ist todsichere Verhütung. Wenn nur die Sache mit dem Sex nicht wäre. Ich meine, Küssen würde ja gerade noch gehen. Ohne Zunge natürlich. Aber alles andere ... - brrrrr, neee. (Was genau machen eigentlich Lesben miteinander???) Vielleicht geht lesbisch ja auch platonisch. Muss mal Mama fragen. Sie kennt sich ja mit platonischer Liebe aus, die Ärmste.
P. S. Alle sind hier total traurig wegen Nina-Louise. Ich auch. Mimi wäre sicher eine coole Mutter geworden. Ich hoffe, sie versucht es noch mal.
P. P. S. Der neue Junge (Kevin Klose - brech!) hat auch ein Tattoo oberhalb seines Hinterns. Ich war gezwungen, es zu sehen, weil der Typ a) vor mir sitzt und b) seine Skater-Hosen den halben Hintern frei lassen. Dummerweise hat er gemerkt, dass ich ihn anstarre, und dreckig gegrinst.
2.
»Na ja, es hätte auch noch schlimmer kommen können«, sagte Anne. »Du hättest deinen zukünftigen Schwiegereltern ja auch am FKK-Strand das erste Mal über den Weg laufen können. So wie ich. Hansjürgen hat mir seine Eltern auf Sylt vorgestellt -und da war nicht mal ein Handtuch oder so was in der Nähe. Ich meine, ich hätte mir wohl gleich denken können, dass
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