Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Patin

Titel: Die Patin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
energetisch gesehen, nicht gut, mit rot zu arbeiten.«
    »Ja, aber für mich fühlt es sich total richtig an«, sagte ich. Mit solchen Sätzen konnte man Trudi immer mundtot machen. »Und wo wohnt er?« Hoffentlich ein bisschen näher als fünfhundert Kilometer.
    »Bei mir«, sagte Trudi.
    »Was?«, rief ich. »Aber ihr habt euch doch gerade erst kennen gelernt! Wo überhaupt? Und jetzt komm mir nicht mit dem alten Ägypten!«
    »Hatte ich das noch nicht gesagt?«
    »Nein.«
    »Ach, das war eine lustige Geschichte«, sagte Trudi. »Wir sind uns in der Sauna begegnet!«
    »Das ist ja ...«, sagte ich und schluckte ein Ekelhafit! gerade noch hinunter. In der Sauna! Also wirklich. »Und wieso ist er so schnell bei dir eingezogen? Das erinnert mich stark an Vladimir, den Typen, der dich nach drei Tagen unbedingt heiraten wollte, weil seine Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr verlängert wurde.«
    Trudi lachte bloß. »Er hieß Fjodor, und es ist schon eineEwigkeit her, dass mir meine Engel Fjodor als Lerngeschenk geschickt haben. Peter ist ganz anders als Fjodor.«
    »Wird er polizeilich gesucht?«
    »Nein! Also, wirklich Constanze, wenn man dich so hört, könnte man denken, ich hätte nur immer irgendwelche Typen von der Straße aufgesammelt!«
    Aber genauso war es gewesen.
    »Warum ist er denn sofort bei dir eingezogen, hm? Hatte er alle seine Habseligkeiten in der Sauna bei sich? Wie praktisch.«
    »Natürlich nicht«, sagte Trudi. »Peter ist nicht obdachlos gewesen oder so. Ich habe dir doch gesagt, er ist ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann. Aber wenn die große Liebe einen trifft wie der Blitz, dann muss man eben nicht lange überlegen, bevor man zusammenzieht.«
    »Und wann läuten die Hochzeitsglocken?«, fragte ich resigniert. »Ach, das wird so schnell nicht passieren«, sagte Trudi wegwerfend.
    »Und wieso nicht?«
    »Weil Peter noch verheiratet ist«, sagte Trudi.
    Ich ließ vor Schreck die Farbrolle durch die Luft sausen und mit ihr eintausend winzige rote Farbtröpfchen. »Da liegt also der Hase im Pfeffer«, seufzte ich.
    »Ach Constanze«, sagte Trudi. »Sei nicht so spießig. Das ist doch nichts Schlimmes, das ist ganz normal in unserem Alter. Du bist schließlich auch noch verheiratet und hast ein Verhältnis mit Anton.«
    »Schön wär's«, murmelte ich. »Außerdem bin ich so gut wie geschieden. Da sind nur noch ein paar Formalitäten zu erledigen.«
    »Wichtiger als die formelle Trennung ist doch die emotionale Trennung«, sagte Trudi. »Und Peter ist emotional schon lange von seiner Frau und den beiden Kindern getrennt.«
    »Kinder hat er auch noch?«, rief ich aus.
    »Ich sagte bereits, dass die meisten Leute in unserem Alter eine Vergangenheit haben, und dazu gehören eben auch Kinder.
    Du hast doch auch welche. Und Anton ebenfalls! Und ihr habt damit ja auch keine Probleme, oder?«
    »Du hast ja keine Ahnung«, sagte ich.
    »Warum bist du nur immer so negativ?« Trudi setzte sich auf die Plastikfolie, die das Bett bedeckte. »Ich an deiner Stelle würde mich einfach für meine Freundin freuen.«
    Ich freue mich ja, wollte ich sagen, aber ich brachte es nicht über die Lippen. Ich freute mich kein bisschen. Ein verheirateter Mann, der so mir nichts, dir nichts seine Frau und seine Kinder verließ, um bei einer Frau einzuziehen, die er in der Sauna kennen gelernt hatte, konnte einfach keinen guten Charakter haben.
    Es klingelte an der Tür.
    »Ich gehe schon«, sagte Trudi. »Ich wollte uns sowieso gerade einen Kaffee machen. Soll ich dir einen Cognac hineinrühren? Du siehst aus, als könntest du einen gebrauchen.«
    »Nein, danke.« Schwermütig rollte ich die rote Farbe auf die Wand. Warum geriet Trudi nur immer an den Falschen? Was dachte sich die höhere Ordnung dabei, ihr ständig Typen über den Weg zu schicken, die sie nur ausnutzten?
    »Es ist Anton!«, rief Trudi zu mir hoch. »Er trinkt auch einen Kaffee mit. Willst du wirklich keinen Cognac?«
    Anton? Ich schlich mich auf leisen Sohlen hinaus in den Flur und lugte vorsichtig über das Treppengeländer. Es war tatsächlich Anton. Und ohne Emily. Und, was noch viel bemerkenswerter war: ohne Krawatte.
    Ich beugte mich noch weiter hinunter. Anton in Sweatshirt, Shorts und Turnschuhen - dass ich das jemals erleben würde.
    Ein dicker Farbtropfen plumpste von meiner Rolle direkt hinab in den Flur. Anton sah zu mir hoch.
    »Ich war joggen«, sagte er. »Und da dachte ich, ich komm mal vorbei und sag hallo.«
    »Hallo«, sagte ich heiser.

Weitere Kostenlose Bücher