Die Patin
Mein Mund war plötzlich trocken. Ich stellte mir nämlich vor, wie es sein könnte, wenn ich nicht anstreichen würde, sondern in einem verführerischen Neglige (in meinerVorstellung besaß ich ein solches natürlich) die Tür geöffnet hätte. Anton und ich hätten zusammen duschen können ...
»Mit Milch und Zucker?«, rief Trudi aus der Küche. Ach ja, und die war ja auch noch da.
»Schwarz, bitte«, sagte Anton. Seine Beine waren lang, aber gut proportioniert, mit ausgeprägter Wadenmuskulatur. Und sie waren haarig. Nicht wie bei einem Affen und nicht spärlich, sondern genau richtig haarig. Ich mochte das.
Ich ging die Treppe hinunter und gab ihm einen Kuss. »Weißt du, dass ich dich noch nie ohne Krawatte gesehen habe?«, fragte ich zärtlich.
»Beim Joggen trage ich keine«, sagte Anton. »Weißt du, dass du überall voller roter Farbe bist?«
»Ich renoviere das Schlafzimmer«, sagte ich.
Anton zog eine Augenbraue hoch. »Und wie war es vorher?«
»Grün«, sagte ich.
»Wollt ihr im Flur stehen bleiben?«, fragte Trudi. Sie reichte Anton eine Tasse und ging vor uns zurück in die Küche. »Schwarz für Sie, Anton, mit geschäumter Milch für dich, Constanze. Steht auf dem Tisch. Und ich habe einen mit Cognac und Zimtsirup. Ich habe eine kräftezehrende Nacht hinter mir, falls es jemanden interessiert. Anton, haben Sie ein Problem damit, dass Constanze Kinder hat?«
»Nein«, sagte Anton irritiert und setzte sich. In dem grauen Sweatshirt sah er einfach zum Anbeißen aus. Und er war ein klitzekleines bisschen verschwitzt, da oben am Haaransatz. Oh mein Gott, ich bekam ganz weiche Knie, wenn ich ihn nur ansah.
»Na, sehen Sie! Und Constanze hat auch kein Problem damit, dass Sie Kinder haben. Aber sie hat ein Problem damit, dass mein neuer Freund Kinder hat. Wie finden Sie das?«
Anton hatte wieder eine Augenbraue hochgezogen.
»Ich habe kein Problem damit, dass dein Freund Kinder hat«, sagte ich. »Ich habe nur ein Problem damit, dass er seine Kinder sitzen gelassen hat, nachdem er dich nur wenige Tage kannte.«
»Er hat sie nicht sitzen gelassen«, sagte Trudi. »Er ist nur zu Hause ausgezogen.«
»Das ist dasselbe«, sagte ich.
»Ist es nicht. Anton, was sagen Sie dazu?«
»Ähem«, sagte Anton wenig eloquent. »Also, ich ...«
Aber Trudi ließ ihn nicht weitersprechen: »Siehst du, Anton findet das auch ungerecht von dir. Du kennst Peter ja gar nicht. Du weißt gar nichts über ihn.«
»Nur dass er in der Sauna Frauen aufreißt«, sagte ich.
Trudi funkelte mich wütend an. »Deine Aura ist heute ganz giftig grün«, sagte sie. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich denken, du gönnst es mir nicht, verliebt und glücklich zu sein.«
»Ich hab's nur satt, dich jedes Mal zu trösten, wenn du mit deinem Hintern auf dem Boden der Realität landest«, sagte ich. »Und ich hab's satt, mir anzuhören, dass all diese Typen, die dich ausnutzen und dir das Herz brechen, Lerngeschenke sind, die dir von Engeln geschickt werden.«
»Es stört dich, dass Peter noch verheiratet ist, stimmt's?«
»Unter anderem«, sagte ich.
»Weil du dich nämlich mit seiner Ehefrau identifizierst«, sagte Trudi. »Du hast immer noch ein tief sitzendes Trauma zu bewältigen, weil Lorenz dich verlassen hat. Und jetzt hältst du alle Männer, die ihre Familien verlassen, automatisch für Schweine.«
»Ach, Quatsch«, sagte ich. »Das habe ich davor auch schon getan. Mir ist auch egal, ob dieser Peter ein Schwein ist, mich interessiert nur, ob das Schwein dich glücklich machen kann, und zwar länger als ein paar Wochen. Kannst du mir garantieren, dass es diesmal ernst ist?«
»Nein, das kann ich nicht! Bin ich Hellseherin oder was!?«, sagte Trudi, die einen Teil ihres Lebensunterhaltes damit verdiente, anderen Leuten die Zukunft vorauszusagen. »Anton, Sie sind Scheidungsanwalt. Sagen Sie doch auch mal was dazu. Gibt es eine Garantie für eine glückliche Beziehung?«
»Nein«, sagte Anton. »Aber es gibt bestimmte Voraussetzungen, die ...«
»Siehst du!«, unterbrach ihn Trudi. »Das Leben ist ein Spiel. Man muss auch mal was wagen! Nehmen wir zum Beispiel Anton und dich. Wer garantiert dir, dass ihr beiden zusammen alt werdet?«
Ich wurde ein bisschen rot. Trudi, das Aas, wusste genau, dass Antons und meine Beziehung noch in den Kinderschuhen steckte. »Das garantiert uns niemand«, fauchte ich sie an. »Was wahrscheinlich auch der Grund ist, warum Anton noch nicht bei mir eingezogen ist!« Von
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