Die Patin
gerechnet, dass es so schnell klappt.«
Und ich hatte gar nicht gewusst, dass sie es darauf angelegt hatten.
»Ich auch nicht«, sagte Lorenz und warf die zwei Reisetaschen der Kinder auf den Boden.
»Du hast es auch nicht gewusst?«, fragte ich. Konnte er meine Gedanken lesen?
»Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so schnell klappt«, sagte Lorenz ein wenig griesgrämig. »Unter uns, ich habe nicht damit gerechnet, dass es überhaupt klappt!«
»Lorenz freut sich nicht besonders«, sagte Paris.
»Ich mich auch nicht«, sagte Nelly.
Ich mich auch nicht, dachte ich. Es war ein komisches Gefühl, dass der Vater meiner Kinder, der Mann, mit dem ich letzten Oktober noch glücklich verheiratet war, nun ein anderes Kind mit einer anderen Frau bekommen sollte.
»Das ging aber wirklich schnell«, sagte ich.
Paris sah gekränkt aus. »Aber Julius freut sich, stimmt's, Julius?«, fragte sie. Es klang beinahe flehend.
»Geht so«, sagte Julius.
»Ich freue mich nicht, weil ich genau weiß, was auf uns zukommt«, sagte Lorenz. »Höllentage und Höllennächte. Geschrei, Gestank und dieser ganze ätzende Babykram. Man kommt jahrelang nicht mehr vor die Tür, und beim Abendessen unterhält man sich nur noch über die Verdauung des Kindes. Aber Paris will diese Erfahrung ja unbedingt am eigenen Leib machen. Und das sofort und auf der Stelle.«
»Ich bin dreiunddreißig«, sagte Paris. »Wie lange hätte ich denn deiner Meinung nach noch warten sollen?«
Lorenz zuckte mit den Schultern. Er war einer dieser glücklichen Männer, denen die Falten zu einem so genannten »markanten Aussehen« verhalfen. Aber weder das markante Aussehen noch die ergrauten Schläfen ließen ihn jünger wirken, als er war. Er war auf jeden Fall alt genug, um zu wissen, was passierte, wenn man ohne Verhütung miteinander schlief.
»Paris hat absolut Recht«, sagte ich. »Wenn nicht jetzt, wann dann?«
»Gar nicht«, sagte Lorenz. »Unser Leben ist doch, so wie es ist, vollkommen.«
»Du hast gut reden, du hast ja bereits Kinder«, sagte Paris. Sie hatte Tränen in den Augen.
»Bitte schön«, sagte Lorenz und zeigte generös auf Nelly und Julius. »Meine Kinder sind auch deine Kinder.«
Julius schmiegte sich unauffällig in meine Arme.
»Das ist etwas anderes, und das weißt du auch«, sagte Paris. »Ich liebe deine Kinder, aber es werden immer deine und Constanzes Kinder bleiben. Dieses Baby« - und hier legte sie die Hand auf ihr Versace-Top - »wird unser Kind sein, das Kind von Lorenz und Paris.«
»Und es wird genauso in die Windeln scheißen wie alle anderen Kinder«, sagte Lorenz.
»Ach, du ...«, sagte Paris.
»Diese Zeit geht auch vorbei, Lorenz«, mischte ich mich ein. »Abgesehen davon kannst du es ja machen wie bei Nelly und Julius und das Windelwechseln anderen überlassen.«
»Worauf du Gift nehmen kannst«, sagte Lorenz. Er war immer noch ganz der Alte.
»Wenn man dich so hört, könnte man denken, dass Paris heimlich die Pille abgesetzt hätte«, sagte ich.
»Ja, wirklich«, sagte Paris, die Hand immer noch auf ihrem Bauch.
»Wie weit bist du denn?«, fragte ich widerwillig.
»Ach, ganz am Anfang«, sagte Paris. »Ich hätte letzten Dienstag meine Periode bekommen sollen. Und Freitag habe ich den Test gemacht.«
»Vielleicht erledigt sich das Problem ja noch von ganz allein«, sagte Nelly.
»Nelly!«, sagte ich tadelnd.
»Ist doch wahr«, sagte Nelly. »Mimi hat ihr Kind noch viel später verloren. Das passiert total oft. Ich hab's im Internet recherchiert.«
»Das heißt aber nicht, dass es Paris passieren wird«, sagte ich. »Morgen gehe ich zum Frauenarzt«, sagte Paris. »Lorenz will nicht mitkommen.«
»Weil ich arbeiten muss«, sagte Lorenz.
»Obwohl du das Herz deines Kindes zum ersten Mal schlagen sehen könntest«, sagte Paris dramatisch. Sie hatte schon wieder Tränen in den Augen. Oh, diese Hormone!
Lorenz seufzte. »Siehst du, es fängt jetzt schon an! Als Nächstes meldest du mich zu so einem Geburtsvorbereitungskurs an, bei dem Männer riesige Brüste und Bäuche umgeschnallt kriegen, damit sie wissen, wie sich ihre Frauen fühlen.«
»So was würde ich nie machen, das weißt du ganz genau!« Paris schniefte.
Sie tat mir Leid.
»Soll ich mit zum Arzt kommen?«, fragte ich. »Ich habe morgen Zeit.«
Paris stellte das Schniefen sofort ein und strahlte mich an. »Das würdest du tun? Oh, das wäre wunderbar. Danke, Constanze, das bedeutet mir wirklich viel.« Sie drehte sich zu Lorenz um.
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