Die Patin
ausrangierten Linienbusse zur Verfügung gestellt, damit ich die Kinder damit zur Schule fahren könnte. Das Kindergeld wäre so hoch wie das Bruttoinlandprodukt eines Entwicklungslandes. Und mein Busen würde bis zu den Knienhängen, und ich hätte nur noch siebzehn Zähne, weil doch jede Schwangerschaft einen Zahn kostet.«
Anton guckte ein bisschen komisch. »Tatsächlich?«
»Na ja, das sagt man so. Aber keine Sorge, ich habe sie noch alle. Die Zähne, meine ich.« Warum redete ich eigentlich ununterbrochen dämliches Zeug, wenn ich den Mund aufmachte? Ganz sicher war mein Geschwafel über Hängebusen und Schwangerschaften alles andere als erotisch! Um das zu wissen, hätte ich noch nicht mal Psychologie studieren müssen.
Glücklicherweise erschien ein Pinguin an unserem Tisch und fragte, ob wir gewählt hätten.
Anton orderte für sich das Tagesmenü mit Spargel und eine Flasche 2003er Würtz-Weinmann Riesling trocken für uns beide.
»Falls du einverstanden bist«, sagte er.
»Ja, natürlich«, sagte ich. 2003er Würtz-Weinmann Riesling trocken klang doch sehr lecker. Obwohl ich gerne etwas mit höherem Alkoholgehalt getrunken hätte, ein Fläschchen Absinth oder so. Was das Essen anging, hatte ich strenge Anweisungen von Mimi und Anne erhalten: keinen Salat, der macht am Abend Blähungen, keine Sahnesoße, die macht müde, möglichst nichts mit Knoblauch und rohen Zwiebeln wegen des Mundgeruchs, am besten Fisch und gedünstetes Gemüse, und lutsch auf dem Klo ein Atemfrisch-Dragee, noch besser, du putzt dir die Zähne, und vergiss nicht, das Make-up aufzufrischen ... - meine kardinalslila Handtasche war zum Bersten gefüllt. Ich überlegte, jetzt schon mal das Klo aufzusuchen und Mimi mit dem Handy anzurufen, um zu fragen, wie genau diese Nacht-der-Nächte-Nummer weitergehen sollte.
Okay, an Planungsstab der Mütter-Mafia: Bis jetzt läuft es nicht besonders gut: Er hat mich seinen Eltern als seine Klientin vorgestellt, ich habe Tante Julchen und Onkel Fred Eiswurst genannt, die Speisekarte angekokelt und nur Mist geredet - wie soll ich weiter vorgehen?
Was? Mission sofort abbrechen, ich wiederhole: Mission abbrechen.
Mimi hatte sich bereit erklärt, heute Abend als Babysitterüber meine Kinder zu wachen. Eigentlich hätte ich sie auch allein lassen können, denn Nelly war immerhin vierzehn, und Julius schlief in der Regel wie ein Stein, aber man konnte nie wissen. Nelly hatte seit neustem einen Kerzenfimmel, jeden Abend zündete sie einen Haufen Teelichter an, legte eine CD auf und starrte im Kerzenlicht träumerisch an die Decke. Jedenfalls tat sie das, wenn ich ins Zimmer kam. Das tat ich ziemlich oft - viel zu oft, nach Nellys Ansicht -, denn ich fürchtete, irgendetwas in ihrem Zimmer könnte Feuer fangen und das ganze Haus würde abbrennen, während Nelly von Max träumte. Ich hoffte jedenfalls, dass sie von Max träumte und nicht etwa von ihrem Mathelehrer oder von irgendeinem Kokain schnupfenden Zwölftklässler. Aber wissen kann man das bei vierzehnjährigen Mädchen ja nie so genau. Ich konnte sie jedenfalls unmöglich allein mit ihrem vierjährigen Bruder und einem Haufen Kerzen und Streichhölzer zu Hause lassen. Mimi war da mit mir einer Meinung. Sie hatte versprochen, Nelly mit einer DVD von jeglichen pyromanischen Aktivitäten abzulenken, sobald Julius eingeschlafen war. »Tatsächlich hiebe«, das würde Nelly gefallen. Mimis Mann Ronnie würde in der Zeit Feuermelder in allen Räumen installieren. Feuermelder gab es zur Zeit im Angebot in Ronnies Baumarkt. Ronnie und Mimi waren die beiden hilfsbereitesten Menschen, die ich kannte, hatte ich das schon erwähnt? Eigentlich hätten ihnen Flügel zwischen den Schulterblättern wachsen müssen.
»Ich bin ja auch spätestens um elf Uhr wieder da«, hatte ich gesagt und aus reiner Gewohnheit vergessen, dass heute ja die Nacht der Nächte sein sollte. Die erste Nacht, in der ich meine Kinder allein lassen würde. Mimi und Anne waren sich nämlich einig, dass ich auf die klassische Frage »Zu dir oder zu mir?« auf jeden Fall »zu dir« antworten sollte.
»Emily übernachtet bei einer Freundin«, hatte Mimi freudestrahlend verkündet. Emily war Antons sechsjährige Tochter, für die er nach der Scheidung das Sorgerecht erhalten hatte. Die ältere Tochter, Molly, lebte bei seiner Exfrau in London. »Ich habedas ganz genau recherchiert. Bei Anton seid ihr völlig ungestört. Ihr könnt morgen sogar gemütlich zusammen frühstücken. Ronnie
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