Die Peitschenbrüder
schien. Auch Goltan taumelte. Die linke Hand war vor die leere Augenhöhle gepresst .
Mythor erwartete den letzten Angriff. Goltan holte weit aus und schwang die Peitsche, um Mythors Oberkörper vom Rumpf zu trennen. Das Gläserne Schwert war in der Luft und durchschnitt den Riemen wie eine einfache Kordel.
Goltan riss den Mund auf, doch kein Laut kam über seine Lippen. Ungläubig starrte er auf das, was von seiner Peitsche geblieben war. Und nun griff Mythor an. Er ließ Goltan keine Zeit, zu sich zu kommen. Eine wie aus weiter Ferne kommende, klagende Stimme lag in der Luft, als die schwach leuchtende Klinge die jetzt nur noch abwehrend geschwungene Peitsche in Stücke zerschnitt. Eine Kraft, die aus dem Gläsernen Schwert selbst kam, lenkte Mythors Arm, bis Goltan nur noch den Stiel der Peitsche in der Hand hielt.
Goltan stand da wie zu Stein erstarrt. Mythors Schwert war auf ihn gerichtet, doch Mythor stach nicht zu.
Die Peitschenbrüder flohen!
Fassungslos sah Goltan von Mythor zu ihnen, dann wieder auf den dunkelhaarigen Mann, der ihn und seine unbesiegbare Peitsche bezwungen hatte. Mythor hielt sich mit allerletzter Kraft auf den Beinen. Goltan wartete auf den tödlichen Stoß. Erst als er merkte, dass Mythor ihn die ganze Zeit über hätte umbringen können und ihn aus welchen Gründen auch immer schonte, ergriff er die Flucht. Von Sar gestützt, humpelte er seinen Anhängern nach, die schreiend in der Nacht verschwanden.
»Wir sehen uns wieder!« rief Goltan, ohne sich umzudrehen.
Mythor schaffte es, aufrecht stehen zu bleiben, bis auch Goltan und die Rothaarige außer Sichtweite waren. Hätte er auch nur im entferntesten gezeigt, wie geschwächt er war, wäre dies sein Tod gewesen.
Nun brach er zusammen. Das Schwert fest umklammert, sank er zu Boden und blieb schwer atmend auf dem Rücken liegen.
Er wusste nicht, wie lange er so gelegen hatte, als er endlich neue Kraft spürte. Sein linker Arm schmerzte. Verkrustetes Blut kennzeichnete die Stelle, an der Goltans Peitsche ihn gestreift hatte.
Die Banditen waren nicht zurückgekehrt.
Wo war Sadagar? Wo Kalathee? Mythor kannte die Antwort, bevor er das Gasthaus betrat.
Das Quartier war verlassen. Mythor durchsuchte den Gastraum, die beiden großen Säle und die Räume in den oberen Stockwerken, bis zuletzt von der verzweifelten Hoffnung beseelt, Kalathee könnte sich irgendwo in einen stillen Winkel geflüchtet haben und von den Plünderern unentdeckt geblieben sein.
Dieser Illusion beraubt, kehrte er nach unten zurück, wo er schließlich ein Stück Stoff von Kalathees blauem Kleid fand. Sie hatte ihren Entführern also Widerstand geleistet.
War sie unfreiwillig unter den Zuschauern gewesen, als er gegen Goltan kämpfte?
Auch von Sadagar fehlte jede Spur. Mythor suchte draußen, auf der Straße zwischen Marktplatz und Gebäuden und dem Platz selbst. Er fand nur die Leichen von Plünderern.
Sadagar und Kalathee in Goltans Hand! Es bedurfte keiner besonderen Phantasie, um sich auszumalen, dass der Einäugige sich an ihnen für die Schmach rächen würde, die er durch Mythor erlitten hatte.
Mythor wagte nicht daran zu denken, was Kalathee erwarten mochte, wenn die Bande erst einmal wieder in ihrem Schlupfwinkel war. Mythor hatte keine Ahnung, wo dieser lag. Er wusste nur, dass er die Bande erwischen musste, bevor sie ihn erreichte. Denn dann war jeder Befreiungsversuch so gut wie aussichtslos. Gegen aus dem Hinterhalt abgeschossene Pfeile war auch er machtlos.
Mythor machte sich Vorwürfe. War es richtig gewesen, Kalathee allein zu lassen?
Er wusste, dass er nicht anders hätte handeln dürfen. Hinter seinen Selbstvorwürfen steckte mehr - das Wissen darum, dass Kalathee an seiner Seite litt, weil er ihre Liebe nicht erwiderte.
Als er sich kräftig genug fühlte, die Suche aufzunehmen, deckte er sich mit Brot, Fleisch und Wein aus der Küche des Gasthofs ein. Das Brot war noch frisch, als sei es eben erst aus dem Ofen des Bäckers gekommen.
Der Überfall der Peitschenbande hatte Mythor und seine Gefährten daran gehindert, weiter nach der Ursache des Verschwindens der Bürger von Lockwergen zu suchen. Er wusste, dass er vorerst nicht dazu kommen würde, diese Suche fortzuführen. Und doch hatte er das Gefühl, die Lösung des Rätsels fast greifen zu können.
Befanden die Verschwundenen sich wirklich in einer anderen Welt, von der aus sie auf ihre Heimatstadt herabsehen konnten? Hatten die Apathischen die Möglichkeit, ihn zu sehen und zu
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