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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Milch in Schalen für gesäuerte Getränke sah sie kaum, was sie tat. Zunächst wusste sie nicht, was sie hinsichtlich des Mannes im Kuhstall empfinden sollte. Ihr Verstand, geübt in der fürs tägliche Überleben nötigen Verdrängung, schob den Gedanken an ihn beiseite; er war, in gewisser Weise, undenkbar. Dennoch tauchte ab und an ungebeten ein Bild seines dunklen Gesichts vor ihrem geistigen Auge auf, begleitet von einem beunruhigenden Gefühl, das sie nicht zu benennen vermochte: eine prickelnde Vorahnung, nicht direkt unbehaglich, aber auch nicht richtig angenehm. Wäre sie ein an Namenstagsfeiern gewöhntes Kind gewesen, hätte sie es vermutlich mit der Erwartung auf ein Geschenk verglichen; aber sie kannte solche Feiern nicht. Zugleich schien die ausdruckslose Maske der Gleichgültigkeit, unter der sie überlebte, verschwunden zu sein, weshalb sie sich ungeschützt und ein wenig verängstigt fühlte. Es war, als hätte der Fremde in ihrem Geist eine lange geschlossene Tür geöffnet, durch die nun ein kalter frischer Wind wehte, der sie aus ihrer Abgestumpftheit wachrüttelte. Wer bin ich ?, dachte sie. Und die Frage schmerzte. Sie war an die eigene Sonderstellung gewöhnt, die sich ebenso häufig als Schutz wie als Fluch erwies. Wegen ihrer blauen Augen und schwarzen Mähne nannten die hellhaarigen Nordländer sie eine Hexe. Sie hatte diese Rolle schon früh angenommen und ihre Andersartigkeit in eine Tugend verwandelt. Und Maerad besaß tatsächlich die Macht des Verfluchens: Wenn sie jemanden böswillig anstarrte, mochte es durchaus vorkommen, dass derjenige ohne ersichtlichen Grund stolperte und stürzte oder dass ein Becher von einem Bord fiel und auf dem Kopf des Betroffenen zerschellte. Einmal hatte sie einem Mann sogar drei Tage lang das Augenlicht geraubt. Auch auf den Umgang mit Tieren verstand sie sich besonders gut, ein weiteres Anzeichen für Hexerei; die Tiere, die sie versorgte, wurden fett und gaben doppelt so viel Milch wie andere. Die meisten der Sklaven fürchteten und mieden sie, und Gilmans Männer… nun, auch die Schergen des Lehnsherrn hatten gelernt, sie in Ruhe zu lassen.
    Gilman war zutiefst abergläubisch und, wie die meisten Grobiane, ein ausgemachter Feigling. Er glaubte, dass Maerads Geist, sollte sie ermordet werden, ihn in einen grausigen Tod treiben würde; zum Beispiel, indem sie ihn um den Verstand brachte, bis er hinaus ins Revier der Wölfe rannte, oder indem sie ihn langsam mit unsichtbaren Klingen aus Feuer durchbohrte. Deshalb blieben Maerad die schlimmsten Pflichten erspart, was unter ihren Leidensgenossinnen Gemunkel und Boshaftigkeiten heraufbeschwor. Unlängst war dieser unterschwellige Groll sogar zu unverhohlener Gewalt aufgeflammt: Vor einem Monat hatten sechs Frauen sie angegriffen und versucht, sie im Ententeich zu ertränken. Beinahe wäre es ihnen gelungen, aber Gilman war mit hochrotem Kopf aus der Halle gehetzt und hatte sie aus dem Wasser gefischt. Maerad erhielt für den Arger, den sie verursacht hatte, zwar eine Abreibung, aber die Sklavinnen, die sie gepeinigt hatten, wurden ausgepeitscht und bekamen drei Tage lang nichts zu essen. Gerettet von Gilman! Freudlos grinste sie über die Ironie. Vorübergehend hatte dies der Plackerei ein Ende gesetzt, doch dafür sprach nun überhaupt niemand mehr mit ihr, außer Hohlköpfen wie Lothar.
    Hätte sie nicht die Musik gehabt, wäre sie vielleicht in den Freitod gegangen oder hätte sich von ihren inneren Dämonen in den Wahnsinn treiben lassen. Oder sie hätte sich einfach in Stein verwandelt, um so zu werden wie die anderen, verroht und gefühllos. Ihre Leier stellte ihren einzigen Besitz dar, das Einzige, was sie noch von ihrer Mutter besaß. Sie war klein und schmiegte sich in ihre Armbeuge wie ein Säugling, ein schlichtes Holzinstrument ohne Zierwerk außer einigen unentzifferbaren Schnitzzeichen. Der Klang jedoch war rein und klar. Eine ihrer frühesten Erinnerungen war, wie ihre Mutter darauf spielte, die Saiten anschlug und Maerad etwas vorsang; vermutlich war sie damals noch sehr jung gewesen, denn ihre Mutter hatte sie nicht traurig angesehen.
    Maerad war in der Lage zu spielen wie ein richtiger Spielmann. Ihr Gehör war ausgezeichnet, und sie brauchte eine Weise nur einmal zu hören, um sie wiederholen zu können. Mirlad, Gilmans Barde, entdeckte ihre Begabung nach dem Tod ihrer Mutter. Damals war sie erst sieben Jahre alt, und irgendwie überredete er Gilman, sie von ihren vormittäglichen

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