Die Pellinor Saga Bd. 2 - Das Rätsel
einen Ort, der eine Küche zu sein schien und in dem schwarze Eisengerätschaften von der Decke und ein blubbernder Eisenkessel an einem dreibeinigen Gestell über einem Feuer hingen, aber auch dort begegnete sie niemandem.
Es gab zahlreiche große Hallen mit Säulen aus Eisen und Stein, so riesig, dass die Säulenreihen sich in weiten Fernen verliefen. Da waren Lagerräume mit Regalen voll getrockneten oder geräucherten Lebensmitteln, Fleisch, langen Würsten oder Zwiebeln. Auch Waffenkammern entdeckte sie, mit Reihen von Piken, Keulen und seltsamen Lederhelmen.
Sie hielt ständig nach einem Ausgang oder einem Fenster Ausschau, fand jedoch nichts dergleichen, bis sie einen hohen, breiten, von Eisensäulen gestützten Gang betrat. Maerad wollte gerade umkehren und den Weg zurück zu ihrem eigenen Zimmer suchen, als ein Unterschied im Licht am fernen Ende sie genauer hinsehen ließ. Obwohl ihre Beine bereits zu schmerzen begannen, zwang sie sich, zum anderen Ende zu laufen, wo sie tatsächlich auf eine Tür stieß … die offen stand.
Der Gang war so verwaist wie der Rest des Palastes, weshalb sie niemand davon abhielt, nach draußen zu treten. Die Luft war klirrend kalt, aber völlig windstill. Die Erleichterung darüber zu wissen, welche Zeit gerade war, das Verzücken, die Sterne zu sehen, das Laufen auf Schnee, all das trieb Maerad Tränen in die Augen.
Der Himmel war klar, die Sterne verteilten sich in kaltem Glanz über ein tiefblaues Feld. Sie spähte durch die Düsternis. Vor ihr schimmerte ein langer, schneebedeckter Hang, der zwischen zwei steilen Felswänden verlief, die sich weiter unten begegneten, um einen hohen schwarzen Bogen zu bilden. Sie war so sicher, wie sie sein konnte, dass es sich um jenen Bogen handelte unter dem sie hindurch gelangt war, als sie in Arkan-da ankam. Allerdings konnte sie sich nicht entsinnen, dahinter einen Palast oder irgendetwas sonst außer Bergen gesehen zu haben. Sie schaute hinter sich und stellte fest, dass in ihrem Rücken auch kein Palast aufragte. Stattdessen stand sie am offenen Schlund einer großen Höhle, und über ihr erstreckte sich der Steilhang eines Berges. Jenseits des Bogens setzte sich ein kleiner Pfad ein Stück fort, bevor er in eine Straße mündete, die sich die Berge entlang schlängelte. Ein Weg führte nach Norden, der andere nach Süden, doch welcher war welcher?
Plötzlich zerriss das Geheul eines Wolfes die Stille. Maerad zuckte zusammen und erinnerte sich an die Wölfe in Inka-Rebs Höhle und an die wölfischen Schatten, die sie zu sehen geglaubt hatte, als sie von den Jussacks quer durch Zmarkan verschleppt worden war. Vor ihrem geistigen Auge tauchte Fangs wilde Schönheit auf. Ihr wurde klar, dass sie sich nicht mehr vor Hunden fürchtete, vielleicht nicht einmal vor Wölfen. Dann dachte sie mit einem Stich im Herzen: Sie sind frei und singen ihr eigenes Lied. Maerad lauschte, bis die schauerlichen Laute in die Stille der Nacht verhallten.
Sie verharrte, so lange sie die Kälte ertragen konnte, und atmete mit einem Hochgefühl die frische Luft. Nun schien ihre Flucht aus dem Eispalast möglich: Sie hatte einen Weg gefunden. Maerad seufzte vor purem Glück. »Die Berge sind wunderschön, nicht wahr, Elednorvon Edil-Amarandh?«, meinte der Winterkönig an ihrer Schulter.
Maerad zuckte vor Schreck zusammen und drehte sich um. Arkan stand unmittelbar hinter ihr.
»Zweifellos dachtest du gerade, wie einfach es doch wäre, einfach aus Arkan-da hinauszumarschieren«, sagte er.
Maerad sah keinen Sinn darin, sich zu verstellen. »Was würde mich aufhalten?«, fragte sie. »Die Straße ist gleich dort drüben.«
»Du könntest es versuchen«, erwiderte Arkan leichthin. »Ich glaube, du würdest es interessant finden. Würdest du jenen Bogen lange genug beobachten, würde dir auffallen, dass nicht einmal Vögel darüber hinweg fliegen.«
»Ich erinnere mich daran, wie ich unter dem Bogen hindurch gekommen bin«, sagte Maerad. »Aber an sonst nichts mehr. Und ich würde hier draußen wahrscheinlich erfrieren, bevor mich jemand fände, sollte ich wieder ohnmächtig werden.«
»Keine Angst«, entgegnete Arkan. »Ich weiß immer, wo du bist.« Mit Unbehagen spürte Maerad, dass dies stimmte und dass Arkan ihr Durchstreifen des Palasts an jenem Tag verfolgt hatte.
»Ich möchte öfter hier herauskommen«, sagte sie. »Es macht mich glücklich, die Sterne zu sehen und den Wind zu atmen. Es fällt mir schwer, ohne Fenster zu leben. Ich vermisse
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