Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Körper zerfetzt und gebrochen vorstellen, wie er verbrannt und leblos auf dem Wasser trieb. Einen Lidschlag lang wirkte die Vorstellung so lebendig, dass Hem beinah überzeugt war, sie wäre wahr und Saliman bereits tot. Er schüttelte sich und hielt sich vor Augen, dass sehr wenige Barden in die Heilhäuser eingeliefert worden waren; schließlich besaßen Barden Mittel und Wege, sich zu schützen. Allerdings würde Saliman sich im ärgsten Kampfgetümmel aufhalten. Möge das Licht Saliman beschützen, dachte er bei sich. 0 mögedas Licht ihn beschützen …
»Du machst mich unruhig«, teilte Soron ihm mit. Mittlerweile saß der Barde müßig auf einem Kissen und wischte sich Schweiß von der Stirn. »Was geschehen wird, wird geschehen, Hem. Es gibt nichts, was wir dagegen tun können.«
Hem wusste, dass Soron Recht hatte, doch nichts wäre in der Lage gewesen, seine Anspannung zu lindern. Ein weiterer Blitz und ein mächtiger Donnerschlag ließen ihn zusammenzucken; der Donner ertönte so laut, dass er einen Augenblick lang dachte, die Mauern des Ernan stürzten ein. Fast gleichzeitig erhellte ein gewaltiger Blitz den Raum. »Es wird bald anfangen zu regnen«, meinte Soron.
»Danach fühlt es sich schon ewig an«, gab Hem zurück. »Aber es ist noch immer nicht geschehen.«
»Das wird es. Wenn der Wind sich dreht.«
»Welcher Wind?«, fragte Hem.
Bedrückende Stille breitete sich zwischen ihnen aus, und Hem beschloss, hinaus in den Garten zu gehen. Es fühlte sich draußen zwar nicht kühler als drinnen an, aber anders. Hem legte sich auf die glasierten Kacheln und starrte in den sich verdunkelnden Himmel, an dem kleine Blitze zuckten. Er leerte seinen Geist und versuchte, Irc zu rufen, indem er alle Kraft und Liebe in den Rufzauber legte. Dies hatte er an jenem Abend bereits einmal versucht, jedoch keine Antwort erhalten, und er hatte Angst davor, wieder nichts zu hören, da ihn dies fürchten ließe, Irc wäre tot. Womöglich hatte der Vogel sich in seiner unstillbaren Neugier zu nah an die Zinnen gewagt und war von einem verirrten Pfeil getroffen worden.
Doch diesmal vermeinte er, ein leichtes Zupfen an seinem Geist wahrzunehmen, einen Widerhall einer Stimme, die nur Irc gehören konnte. Das Gefühl schien aus weiter Ferne zu stammen. Verwirrt setzte Hem sich auf und versuchte es erneut: wieder jenes leichte Zupfen. Was treibt der dumme Vogel bloß ?, dachte er mürrisch bei sich. Ist er verletzt und kann deshalb nicht kommen ? Was ist nur los ?
Und wo steckte Zelika? Am wahrscheinlichsten schien Hem, dass sie sich davongestohlen hatte, um sich zu Har-Ytans Streitkraft zu gesellen; der Gedanke ließ solche Wut in Hem aufwallen, dass ihm danach zu Mute war, mit der bloßen Hand gegen die Mauer zu schlagen. Wie konnte sie nur so selbstsüchtig sein? Wie konnte sie Saliman belügen? Wahrscheinlich würde sie getötet werden, und er würde nie wieder von ihr hören. Wenigstens müsste er dann nicht mehr ihre endlose Nörgelei darüber ertragen, wie schlecht seine Aussprache in Suderain war … In Hems Kehle bildete sich ein Kloß, und er wischte unwirsch die plötzlichen Tränen weg, die ihm in die Augen traten. Es würde ihr recht geschehen, wenn sie stürbe. Sollte er sie je wieder sehen, würde er sie erwürgen.
Ein plötzliches Aufleuchten des Himmels ließ ihn aufschauen. Es fühlte sich an, als wäre die gesamte Luft von einer riesigen Hand zusammengepresst worden. Eine Pause entstand, als hielte alles den Atem an, dann folgten ein Windstoß und ein leises, prasselndes Geräusch, das Hem zunächst nicht einzuordnen vermochte. Bald erkannte er, dass es sich um vereinzelte, zu Boden fallende Regentropfen handelte. Ein dicker, fetter Tropfen platschte ihm warm ins Gesicht, gleich darauf ein weiterer.
»Ich habe es dir doch gesagt!«, rief Soron von drinnen. »Du solltest besser hereinkommen, es wird gleich richtig losgehen.«
»Ich möchte gerne nass werden«, gab Hem zurück. »Ihr solltest stattdessen herauskommen.«
»Du wirst ertrinken«, entgegnete Soron. »Du weißt nicht, wie das ist.« Er kam mit einer Lampe heraus, die sich hell schimmernd von der heißen Dunkelheit abhob; derBarde lauschte dem Rascheln der Blätter im Wind. Wortlos standen er und Hem da, starrten in den Himmel und warteten, während die sanften Tropfen einer nach dem anderen fielen und von den warmen Kacheln Dampf aufstieg. Dann endete der Regen so zögerlich, wie er eingesetzt hatte.
»Es besteht wohl doch keine Gefahr zu
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