Die Pellinor Saga Bd. 3 - Die Krähe
Dabei sah er, wie Zelika sich aus den Heilhäusern schlich und aufmerksam umsah, um sich zu vergewissern, dass niemand sie beobachtete. Verstohlen setzte sie sich die Straße entlang in Bewegung und bog in eine der nicht einsehbaren Gassen.
Zelikas Verhalten schürte Ircs Neugier; er erhob sich in die Lüfte und folgte ihr. Mit ungewöhnlicher List achtete er sorgfältig darauf, nicht bemerkt zu werden; es gab reichlichalte Markisen und Bäume, um sich zu verstecken, wenn sich Zelika umdrehte und überprüfte, ob sie verfolgt wurde, was sie häufig tat. Sie eilte zum Ernan, grüßte die Wachen und verschwand im Palast. Zu seiner Verärgerung konnte Irc ihr nicht folgen; die Wachen verscheuchten ihn.
Mittlerweile war Irc völlig aus dem Häuschen vor Neugier darüber, was Zelika vorhatte: Er war ganz sicher, dass sie etwas im Schilde führte, und wenngleich er sie ein wenig fürchtete, fühlte er sich auch von ihr angezogen und bezaubert. Ungeduldig kauerte er auf einer Mauer gegenüber dem Tor zum Ernan und wartete, ob sie wieder auftauchen würde. Er vertrieb sich die Zeit, indem er sich mit ein paar Meenahs zankte, jenen schrillen Vögeln, die ihre Zeit für gewöhnlich damit verbrachten, die Märktenach Resten abzusuchen. Seit er den Titel des Boten des Königs trug und nicht einmal mehr die Krähen wagten, ihn zu bedrängen, empfanden die meisten Vögel der Umgebung Irc als ziemlich lästig. Er beachtete keine Gebietsgrenzen und meinte, sein Rang berechtigte ihn, sich jedem gegenüber rüde zu verhalten.
Das Gezänk setzte sich geräuschvoll fort,wobei auf beiden Seiten reichlich Beleidigungen fielen, bis die Meenahs aufgaben, fortflogen und unterwegs weitere Schmähungen kreischten. Irc plusterte das Gefieder auf und wetzte triumphierend den Schnabel an der Wand. Er überlegte gerade, ob er zurück zu den Heilhäusern fliegen sollte, als Zelika aus dem Ernan kam - in voller Rüstung.
Beinah hätte Irc sie in ihrer neuen Aufmachung nicht wiedererkannt. Was sie verriet, war ihre Vorsicht. Sie blickte wachsam die Straße hinauf und hinab, entdeckte Irc jedoch nicht. Raschen Schrittes setzte sie sich in Richtung des Westtors in Bewegung. Mittlerweile begann das Zwielicht einzusetzen, wodurch es für Irc noch einfacher wurde, in den langen Schatten ungesehen zu bleiben. Langsam flatterte er hinter Zelika her, folgte ihr in sicherem Abstand, bis sie den riesigen Platz vor dem Westtor erreichten. Soldaten drängten sich dort, alle in voller Kampfeskluft Suderains. Näher am Tor befanden sich Reihen der Reiterei, deren mächtige Pferde geduldig in der Hitze ausharrten.
Irc konnte zwar zählen, allerdings nur bis fünf - eine für Hem nützliche Schwäche, zumal der Junge regelmäßig Ircs Schatzhorte leerte; solange er fünf Gegenstände zurückließ, bemerkte die Krähe nicht, dass etwas fehlte. Die auf dem Platz vereinten Zahlen überstiegen seine Zählkunst bei weitem; es war ein Schwärm von Menschen, der den gesamten Platz füllte und sich bis in die breiten Straßen erstreckte, die davon ausgingen. Doch trotz all der vielen Menschen herrschte kaum Lärm. Durch das dichte Gedränge fühlte die Luft sich gepresst und schwer an, doch auf den angespannten Soldaten schien ein Gewicht zu lasten, das nicht allein auf die Hitze zurückzuführen war; die Düsterkeit dieser Versammlung beeindruckte sogar Irc.
Die Soldaten standen oder kauerten in ordentlichen Reihen. Die goldenen Abzeichen auf ihren Brüsten schimmerten trüb im Zwielicht oder gleißten grell in den trockenen Blitzen, welche die dunklen Wolken erhellten. Einige der Soldaten unterhielten sich leise miteinander, andere nahmen ihre Kampfausrüstung ein letztes Mal in Augenschein, indem sie die Schneiden ihrer Klingen und Wurfmesser überprüften, wieder andere saßen nur da und starrten stumm zu Boden.
Zelika hielt inne und verharrte zögerlich am Rand des Platzes. Niemand schenkte ihr Beachtung. Da Irc fürchtete, er könnte sie in der Menge aus den Augen verlieren, flog er dichter an sie heran, als er es zuvor gewagt hatte, und hockte sich auf einen alten Sturz, um sie zu beobachten.
Irc mochte für eine Krähe äußerst klug sein, dennoch war sein Verständnis das eines Vogels. Er hatte keine Ahnung, was Zelika tat, zumal er die Auswirkungen der Streitigkeiten nicht verstand, die sie mit Saliman gehabt hatte. Allerdings verriet ihm seine durch seine eigenen Diebstähle geschärfte Krähenschläue, dass sie im Begriff war, etwas Falsches zu tun: Am
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