Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
er glaubte, die Kreatur würde nach Hiert kommen«, sagte Hekibel mit gefasster Stimme. »Weshalb, wusste Marich nicht… Entsetzlich ist, dass Karim euch für den Untoten bespitzelt hat. Ich könnte schwören, Karim wusste nicht, dass es ein Untoter war, aber er hat jedenfalls Geld dafür genommen, alles zu berichten, was ihr beide gesagt habt. Und er sollte dafür sorgen, dass ihr bei der Truppe bleibt, damit der Geldgeber wüsste, wo ihr seid. Karim muss klar gewesen sein, dass es nichts Gutes für euch verheißen konnte. Dummer, dummer Karim. Er war immer so geldgierig …« Die letzten Worte flüsterte sie mit vor Scham geröteten Wangen. »Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Wenn ihr nie wieder mit mir reden wollt, dann verstehe ich das …«
Saliman schwieg eine Weile. »Hekibel«, meinte er schließlich in äußerst sanftem Tonfall. »Vielleicht ist es dir ein Trost, dass Hem und ich es bereits vermutet hatten. Und sei versichert, dass ich dir nicht die Schuld an den Taten eines anderen gebe.«
»Ich habe sofort die Pferde genommen und… Ich konnte dort einfach nicht bleiben. Ich ging zu Narim, und sie gab mir Sättel, damit ich auf den Pferden reiten konnte. Narim war entsetzt darüber, dass sich ein Untoter in Trigallan aufhielt. Sie - sie meinte, ich müsste euch suchen und warnen… ich bin die ganze Nacht und den ganzen Tag geritten, um hierher zu gelangen. Zwar hatte ich dabei wachsam die Straße im Auge und habe niemanden gesehen, weit und breit nicht, aber ich dachte, vielleicht… Naja, die Untoten verfügen über Hexerei, und vielleicht hätte ich ihn nicht gesehen, selbst wenn ich an ihm vorübergeritten wäre. Jedenfalls bin ich so froh, dass ich euch gefunden habe …«
Nun, nachdem sie sich die Last ihrer Geschichte von der Seele geredet hatte, fing Hekibel heftig zu weinen an. Einige Zeit verstrich, ehe sie wieder sprechen konnte. Hem schlang den Arm um sie und wartete, bis sie zu schluchzen aufhörte. »Oh, es tut mir so leid«, schniefte sie und wischte sich mit den Händen Tränen aus dem Gesicht. »Es ist so schrecklich … eine so schreckliche Zeit.«
»Das ist es«, pflichtete Saliman ihr bei. »Es bekümmert mich zutiefst, dass Karim und Marich tot sind. Ich mochte beide sehr; und auch wenn Karim gierig war, hat er einen solchen Tod nicht verdient. Es entspricht ganz den Gepflogenheiten der Finsternis, unsere Fehler zu ihrem Vorteil zu nutzen.«
Eine Zeit lang schwieg er.
»Ich frage mich, weshalb der Untote uns nicht schon früher angegriffen hat«, meinte er schließlich. »Ich bin sicher, dass er uns von dem Augenblick an verfolgt hat, als wir Til Amon verließen. Und ich würde zu gern wissen, wodurch sie auf uns aufmerksam geworden sind. Glaubst du, Hem, sie haben geahnt, dass Hem von Turbansk derselbe Hem ist, der in Edinur vor ihnen floh?«
Hem schauderte, als er an die Untoten zurückdachte, die ihn in Edinur gefangen genommen hatten; ihn suchten immer noch Albträume darüber heim. »Ich weiß es nicht«, erwiderte er. »Denkst du, sie könnten es sich zusammengereimt haben? Kaum jemand wusste, dass ich in Norloch war…«
»Es ist eine kleine Möglichkeit, trotzdem eine Möglichkeit«, gab Saliman stirnrunzelnd zurück. »Allerdings halte ich es für wahrscheinlicher, dass der Untote mir folgte. Immerhin hatte ich in Til Amon nicht verschleiert, wer ich bin, und es könnte durchaus jemanden gegeben haben, der wissen wollte, weshalb ich durch Annar reise … Das ergibt einen Sinn, ohne nach weiteren Gründen zu suchen.«
Hem nickte. »Mich wundert auch, dass wir nicht unterwegs angegriffen wurden, solange wir noch auf der Straße waren«, sagte er. »Sie hätten es jederzeit tun können …«
»Vielleicht ist uns nur dieser eine Untote gefolgt, der spürte, dass er es nicht mit uns aufnehmen könnte. Was auch stimmt. Schließlich besitze ich einen gewissen Ruf als Krieger.« Saliman lächelte verkniffen. »Es ist möglich, dass er nach Verstärkung sucht, bevor er sich an mich heranwagt. Oder dass er glaubt, wir wären tot.«
Hekibel blickte in dem Versuch, dem Wortwechsel zu folgen, von Hem zu Saliman, und Saliman wandte sich ihr zu. »Hekibel, ich danke dir, für deine tapfere Seele und dafür, dass du uns das erzählt hast. Nun müssen wir entscheiden, was wir als Nächstes tun. Ich fürchte, ich fühle mich noch etwas schwach, und du siehst nicht aus, als könntest du heute noch einen weiteren Schritt gehen. Ich denke, wenn wir vorsichtig sind, können wir
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