Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied
lächelte. »Natürlich kann ich«, gab sie zurück. »Immerhin habe ich es auch bis hierher geschafft. Ich könnte nur etwas länger brauchen, als mir lieb ist, das ist alles …«
Als sie die Hütte erreichten, stand die Sonne bereits hoch am Himmel. Hekibel redete während des Marsches nicht; sie atmete schwer, presste die Lippen verkniffen zusammen und sparte sich alle Kraft für das Gehen auf. Fenek folgte beschützend dicht hinter ihr und schien zu spüren, dass seine Herrin litt. Unterwegs landete Irc kurz bei ihnen: Saliman hatte ihm aufgetragen, nach Hem zu suchen. Hem schickte ihn mit der Botschaft zurück, Saliman möge ein Frühstück vorbereiten, und als sie an der Hütte eintrafen, hatte Saliman bereits einen Topf mit Haferbrei über das Feuer gehängt. Irc hatte ihn bereits vorgewarnt, dass Hem Hekibel mitbrachte, weshalb der dunkelhäutige Barde keine Überraschung zeigte, als er sie erblickte. Stattdessen begrüßte er sie freundlich und bot ihr den Arm dar, um ihr zu helfen, sich zu setzen.
Hekibel war so offensichtlich am Ende ihrer Kräfte und so froh darüber, sich an einem trockenen Ort niederlassen zu können, sich am Feuer zu wärmen und eine warme Mahlzeit zu genießen, dass weder Hem noch Saliman ihr Fragen stellten, bis sie zu Ende gegessen hatte. Fenek rollte sich nur zu ihren Füßen zusammen und schlief ein.
Während sie aßen, nutzte Hem das Schweigen, um Gedankenverbindung zu Saliman aufzunehmen und ihm in knappen Worten mitzuteilen, was sich in der Nacht zuvor ereignet hatte.
Maerad hat mich letzte Nacht gerufen, sagte er.
Saliman ließ um ein Haar seinen Löffel fallen. Hem spürte sein Erstaunen und seine Erleichterung, als er erwiderte: Sie hat dich gerufen?
Ja, bestätigte Hem. Ich habe noch nie so etwas gefühlt, es war so stark. Sie befindet sich nördlich von uns. Ich weiß jetzt, wohin wir müssen.
Er sandte Saliman ein Bild dessen, was er gesehen hatte - des hellen, schimmernden Pfads, der zu Maerad führte.
Gut, sagte Saliman. Das sind gute Neuigkeiten, Hem. Ich dachte heute morgen ohnehin, dass es an der Zeit ist, von hier aufzubrechen - umso besser, wenn wir nun endlich eine Ahnung haben, wohin. Wir unterhalten uns später ausführlicher darüber. Vorerst möchte ich erfahren, was Hekibel uns zu berichten hat. Irgendetwas stimmt ganz und gar nicht, und ich fürchte, es verheißt nichts Gutes für uns.
Hem nickte und aß weiter seinen Haferbrei. Nachdem sie alle gefrühstückt hatten, bot Saliman Hekibel Medhyl an. Sie trank ein paar kleine Schlucke, woraufhin etwas Farbe in ihre Züge zurückkehrte. Dann lehnte sie sich gegen die Wand der Hütte und schloss die Augen.
»Ich nehme an, ihr möchtet wissen, weshalb ich hergekommen in und nach euch gesucht habe«, sagte sie. »Ja, sofern du dich in der Lage fühlst, es uns zu erzählen«, erwiderte Saliman.
»Das muss ich. Deshalb habe ich nach euch gesucht - um es euch zu erzählen; obwohl ich dachte, dass ihr vielleicht beide tot sein könntet…« Sie verstummte, rang mit sich selbst und sprach erst weiter, als sie die Herrschaft über ihre Stimme zurückerlangt hatte. »Saliman, ich vermag nicht auszudrücken, wie leid es mir tut…«
Saliman schnitt ihr mit einer Geste das Wort ab. »Hekibel«, entgegnete er, »wie ich schon zu Hem sagte, und wie ich es auch zu dir gesagt hätte, wenn ich die Gelegenheit gehabt hätte: Uns zurückzulassen war das einzig Vernünftige. Das mag hart klingen, ich weiß… aber es stimmt. Mach dir deshalb keinen Kummer, ich bitte dich.«
Hekibel blickte mit düsterer Miene zu Boden. »Das ist sehr großmütig von dir, Saliman. Ich bin nicht sicher, ob ich solche Milde besäße, erst recht nicht, wenn du hörst… Ob es vernünftig war oder nicht, ich fühle mich immer noch, als hätte ich Freunde in Not im Stich gelassen. Aber wie du gleich hören wirst, könnte es r euch besser gewesen sein, als es zu der Zeit den Anschein gehabt hat.« Abermals verstummte sie kurz und biss sich auf die Lippe. Die Barden warteten.
»Es fällt mir schwer, diese Geschichte zu erzählen«, fuhr sie schließlich fort. »Aber ich vermute, wie wir Schauspieler sagen, die besten Vorstellungen sind flink und schlicht. Wie ihr wisst, haben wir die Schänke verlassen und sind auf der Weststraße weitergefahren, so schnell wir konnten. Kurz nach Hiert stieg das Wasser so rasch an, dass es beängstigend war; ich dachte, wir würden davon weggespült. Offensichtlich konnten wir nur von der Straße, indem
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