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Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 4 - Das Baumlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alison Croggon
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Geräusche ihrer Gefährten, die eine Mahlzeit zubereiteten. Tiefer Friede hielt in ihrem Geist Einzug.
    Sie konnte die grüblerische Gegenwart des Namenlosen spüren, die sich um sie scharte, nach ihr suchte, wie die erstickende Schwärze es in ihren Albträumen getan hatte. Maerad wusste, dass die Sumpfvögel geduckt im Gras kauerten, die Rufe in ihren Kehlen von der Angst im Schatten eines mächtigen Raubtiers erstickt, das den Himmel über ihnen verdunkelte. Nach dem Ritt durch das Katenmoor erfüllte es Maerad mit Wut, dass er es wagte, seinen Geist zurück an den Schauplatz solcher Gräueltaten zu entsenden. Mit einer Mischung aus Hochmut und Abscheu wandte sie den eigenen Geist von ihm ab. Sie wusste, dass er sie noch nicht gefunden hatte; zwar spürte er sie voll Unbehagen, trachtete nach einem Weg in ihre Gedanken, aber er hatte noch nicht entdeckt, wo sie sich befand. Was immer geschehen mochte, sie würde sich diesen kurzen Augenblick des Friedens nicht von ihm stehlen lassen. Vielleicht, dachte sie, würde es ihr letzter Augenblick als sie selbst sein.
    Doch als die Schatten länger wurden, schlich sich eine leise, melodiöse Stimme in ihre Gedanken. Sie hatte noch nie eine Stimme von solch betörender Schönheit gehört, und öffnete unwillkürlich ihren Geist, um ihr zu lauschen.
    Elednor, sprach die Stimme. Elednor, endlich habe ich dich gefunden, die ich so lange gesucht habe, durch Feuer und Schatten, die andere Hälfte meiner selbst…
    Mit einem Anflug von Furcht sah Maerad sich um, doch sie konnte kein Anzeichen einer Erscheinung entdecken. Wer bist du ?, fragte sie.
    Ich bin dein anderes Selbst, erwiderte die Stimme. Das andere Ich, das zu sein du dir immer gewünscht hast. Ich bin das Ende all deines Sehnens, deines Suchens, deiner Träume.
    Dies rüttelte Maerads gesamte, oft widersinnige Sturheit wach, und der Zauber der Stimme geriet ins Wanken. Das ist keine Antwort, gab sie mit der Schärfe eines Peitschenknalls zurück. Sie spürte, wie ihr Gegenüber zusammenzuckte. Ich denke, du bist Sharma.
    Wenn ich es bin, ist nicht weniger wahr, was ich sage. Befrag dein Herz, Elednor, ElednorEdil-Amarandh na, und sieh, ob nicht wahr ist, was dein Herz dir sagt. Schließlich sind wir uns hier ebenbürtig.
    Abscheu stieg Maerad in die Kehle und ließ sie beinah würgen. Ebenbürtig?, sagte sie. Ich denke nicht. Ich würde niemals tun, was du getan hast. Niemals. Wie kannst du es überhaupt wagen, mit mir zu sprechen ? Wie kannst du es wagen, hierher zurückzukehren, nach allem, was du getan hast?
    Eine Weile schwieg die Stimme, dann lachte sie, und ihr Gelächter hörte sich so warm und nah in Maerads Ohr an, dass sie davor zurückschrak.
    Meine Liebe, sagte die Stimme. Du bist sehr jung, dennoch hast du schon gnadenlos getötet, weites notwendig war. Gaukle mir nichts anderes vor. Tu nicht, als wärst du besser, als du bist. Du hast Leid, Kummer und Schmerz verursacht. Das ist der Preis der Macht, nicht wahr? Warum glaubst du, dass ich anders habe als du gehandelt? Ich lebe schon länger als du, habe die Freude, das Grauen und den Preis der Macht ausgekostet. So ist es immer. Denkst du, deine hehren Freunde sind besser als ich? Rede mir nicht ein, dass dir diese Dinge nicht bereits durch den Kopf gegangen sind. Du bist alles andere als dumm.
    Maerad versuchte, ihren Geist gegenüber der Stimme zu verschließen, aber sie konnte nicht anders, als ihr zu lauschen. Und mittlerweile erhoben sich Zweifel in ihr; ihr waren diese Dinge tatsächlich durch den Kopf gegangen. Sie biss sich auf die Lippe. Leise und überzeugend fuhr die Stimme fort; ihre Melodie war so quälend angenehm, dass Maerad ihr nicht widerstehen konnte.
    Nun, da ich dich gefunden habe, kann ich dich endlich fragen: Warum trachtest du, unsere Macht zu zerstören? Dir ist nicht klar, was du tust… Elednor, Elednor, du wandelst auf einem Irrweg. Es gibt einen anderen…
    Jedes Mal, wenn Sharma ihren Namen sprach, verstärkte sich der Zauber, sosehr Maerad auch dagegen ankämpfte. Abermals sah sie sich um; sie empfand es als seltsam, mit jemandem zu reden, den sie nicht sehen konnte, weder mit ihrem inneren Blick noch mit ihren wahren Augen. Sharma blieb verborgen. Welchen anderen Weg?, fragte sie widerwillig.
    Du wirst von jenen in die Irre geführt, die behaupten, deine Freunde zu sein. Sie beneiden dich um deine Macht und wollen sie zerstören. Aber Elednor, du irrst dich … Du bist die Ausersehene. In dir wird das Baumlied geeint.

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