Die Pelzhändlerin (1. Teil)
sie, wenn schon nicht schön, so doch reizvoll war, hätte das nichts geändert. Schönheit war kein Pfund, mit dem ein Bastard wuchern konnte.
«Du hattest neulich Recht, Martha, wir sehen uns wirklich sehr ähnlich», hatte Sibylla gut gelaunt und unbeschwert Marthas düstere Gedanken unterbrochen und dabei gekichert, wie es Mädchen in diesem Alter tun. «Luisa und ich könnten Schwestern sein.»
Dann war dem Mädchen ein Einfall gekommen, bei dem es noch mehr kicherte: «Schwestern, ja. Und wir könnten, wenn wir uns einen Schabernack ausdenken wollten, die Rollen tauschen. Dann würde ich als Luisa die Wäsche waschen, und du», sie zeigte mit dem Finger auf die Tochter der Wäscherin, «du müsstest meinen Vater versorgen.»
Wenn es doch so wäre!, hatte Martha gedacht und Luisa über das Haar gestrichen.
Luisa aber hatte nicht gelacht. Sie hatte die Hände hinter ihrem Rücken verborgen und auf den bestickten Gürtel Sibyllas geblickt, der ihr Kleid verzierte.
«Der Gürtel, er passt nicht zu deinem Kleid», hatte Luisa schließlich schüchtern und trotzig zugleich gesagt, und Sibylla und Martha hatten die kleine Wäscherin verwundert angesehen.
«Wie kommst du darauf? Kleid und Gürtel sind von einem guten Schneider», hatte Sibylla geantwortet und verlegen beobachtet, wie sich Luisa zu dem Gürtel herabbeugte, ihn sich so genau anschaute, als wolle sie ihn später malen, und behutsam mit dem Finger darüber strich.
«Die Materialien passen nicht zueinander. Seide und Filz, nein, das geht nicht», hatte Luisa schließlich erwidert und war rot geworden, als sie den tadelnden, angstvollen Blick ihrer Mutter spürte.
Bevor Sibylla antworten konnte, war Meister Wöhler dazugekommen, hatte seine Tochter am Arm genommen und sie mit sich gezogen, als wolle er nicht, dass sich die Wäscherin und deren Bastard mit Sibylla unterhielten.
Martha hatte Luisa Vorwürfe gemacht. Wie kam sie, eine kleine Wäscherin, dazu, einer Meisterstochter zu sagen, dass ihre Garderobe nicht stimmte? Sibylla war die Vornehmheit angeboren, eine Vornehmheit, die ihrem Stand entsprach und von der Luisa keine Ahnung hatte.
Luisa hatte zwar den Kopf gesenkt, doch in ihren Augen zeigte sich keine Scham oder Reue. Trotzig, wenn auch leise, erwiderte sie: «Die Sachen haben nicht zueinander gepasst. Ich weiß es besser, ich habe es gesehen.»
«Dann soll Gott dich mit Blindheit strafen», hatte Martha geschrien und sich gefragt, woher das Mädchen diesen Hochmut hatte.
War es nicht auch ihr Hochmut gewesen, der Luisa schließlich ins Feldsiechenhaus gebracht hatte?
Martha erinnerte sich noch genau an diesen Schicksalstag nur wenige Wochen nach dem Treffen der beiden Mädchen.
Luisa hatte in einem Putzmacherhaushalt die Wäsche besorgt. Schon sehr früh am Morgen war sie mit den beiden Mägden zum Main hinuntergelaufen, um die Kleider der Herrschaft zu waschen. Die vollen Körbe auf den Köpfen balancierend, waren sie gegen Mittag zurück in die Stadt gekommen, hatten die Kleider im warmen Sommerwind auf der Bleiche trocknen lassen und anschließend mit heißen Steinen geglättet.
Was war nur über Luisa gekommen, dass sie sich plötzlich das Kleid der Meisterin vor dem Spiegel aus poliertem Metall anhielt? Und warum, mein Gott, warum nur hatte sie dieses Kleid auch noch anprobieren müssen? Die Meisterin hatte sie dabei erwischt und Zeter und Mordio gebrüllt.
«Eine Diebin bist du, hast dich an meinen Kleidern vergriffen», hatte sie geschrien und den heißen Stein nach Luisa geworfen, der sie an der Schulter traf und dort verbrannte.
«Ich wollte das Kleid nur anprobieren, gewiss nicht stehlen», hatte Luisa beteuert, doch die Putzmacherin hatte nicht hören wollen.
Mit dem Finger hatte sie auf die Haustür gewiesen, Luisa wie einen räudigen Hund davongejagt und sie nicht einmal mehr angeblickt.
Martha hatte am Abend davon erfahren. Luisas Gesicht war ganz verschwollen gewesen vor lauter Tränen, dennoch hatte Martha ihre Tochter nicht ganz verstanden. «Warum?», hatte sie sie gefragt, doch Luisa hatte nur mit den Achseln gezuckt und geantwortet: «Ich wollte sehen, ob mir das Kleid besser steht als der Putzmacherin.»
Martha hatte es nicht geschafft, den Eigensinn und die Dünkelhaftigkeit aus Luisa herauszuprügeln. Und da die Putzmacherin Luisas «Diebstahl» in der ganzen Stadt herumposaunte, war Martha schließlich nichts anderes übrig geblieben, als ihre Tochter ins Feldsiechenhaus nach Hofheim zu geben.
Und Luisa
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