Die Pelzhändlerin (1. Teil)
Brief zu Boden fallen und drückte beide Hände auf die linke Hälfte der Brust.
«Meister Wöhler, was ist?», rief Martha besorgt, hob den Brief vom Boden auf und hielt ihm dem Meister wieder hin.
Doch Wöhler antwortete nicht, sondern sah Martha nur mit blicklosen Augen an, sackte auf dem Lehnstuhl zusammen, die Arme fielen kraftlos herab, dann sank sein Kopf auf die Brust, der Oberkörper kippte nach vorn, und er schlug mit der Stirn hart auf der polierten Platte des Schreibtisches auf. Der Schlag hallte im Raum. Martha stand wie festgefroren und blickte fassungslos auf den Meister.
«Meister Wöhler? Meister Wöhler!», rief sie zuerst leise und fragend, dann lauter und voller Schrecken und rüttelte an seiner Schulter.
Aber Wöhler rührte sich nicht mehr.
Martha lief zur Treppe und rief angsterfüllt: «Gesellen, kommt schnell! Schnell doch!»
Die Magd Barbara, inzwischen vom Markt zurückgekehrt, schaute aus der Küche.
«Martha, was schreist du so?»
«Meister Wöhler», Martha rang nach Atem. «Ich glaube, er ist tot.»
«Herr Jesus!»
Barbara raffte ihr bodenlanges Tuchkleid und rannte die Treppe herauf, bekreuzigte sich dabei und blieb an der Schwelle zur Meisterstube wie erstarrt stehen. Martha hielt noch immer den Brief in den Händen. Ohne sich dessen bewusst zu sein, faltete sie ihn ordentlich zusammen und steckte ihn zurück in ihren Kittel.
Inzwischen waren auch die Gesellen aus der Werkstatt herbeigeeilt. Der Jüngere ging zu Wöhler und presste sein Ohr auf dessen Rücken, richtete ihn auf und hielt eine kleine, zarte Feder vor den Mund des Kürschnermeisters.
«Sein Herz schlägt nicht mehr, glaube ich. Und die Feder bleibt still, also atmet er nicht», stotterte der Geselle unsicher.
Er blickte die anderen Rat suchend an, zuckte hilflos mit den Schultern und sagte dann mit dunkler Stimme: «Der Meister ist tot.»
«Tot?», fragte die Magd mit vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen und bekreuzigte sich erneut. Die anderen taten es ihr nach, murmelten ein Gebet.
Stumm standen sie da, schauten auf den toten Meister, der vor wenigen Stunden noch mit festen Schritten durch Haus und Werkstatt geeilt war.
«Was wird nun aus uns?», heulte die Magd. Niemand wusste eine Antwort. Innerhalb von wenigen Augenblicken hatte sich ihr Leben verändert. Aus Gesellen und Magd waren Herrenlose geworden, die sich um das tägliche Brot sorgen mussten. Die Erkenntnis ließ sie verstummen. Was sollte aus ihnen werden? Wie würde es weitergehen? Was würde passieren?
Martha fasste sich als Erste. «Vielleicht sollte einer von uns den Arzt holen. Wenn jemand noch etwas machen kann, dann er. Wenn nicht, kann er den Totenschein ausstellen», sagte sie und bemerkte dabei kaum, dass ihre Hände sich in den Stoff des Kittels verkrallt hatten und an dem dünnen Tuch rissen.
Bei diesen Worten brach die Magd Barbara erneut in Tränen aus und hielt sich laut jammernd die Hände vors Gesicht.
Martha sah den Altgesellen fragend an, und als dieser zustimmend nickte, stieg sie die Treppe hinunter. Sie eilte durch die Trierische Gasse, lief über den Liebfrauenberg weiter in Richtung Römer, am Bartholomäus-Dom vorbei bis hin zum Viertel der Ärzte, Bader und Bartscherer.
Vor einem schmalen Haus blieb sie schließlich stehen und griff nach dem Türklopfer. Eine Magd öffnete.
«Der Arzt muss in die Trierische Gasse kommen. Meister Wöhler ist wohl tot oder doch nahe dran.»
Die Magd ließ sie ein, und Martha erzählte dem Arzt, was mit dem Kürschnermeister passiert war.
«Blaue Lippen, sagst du?», fragte der Arzt.
«Ja, Herr, und ein weißes Gesicht, grau beinahe.»
«Geatmet hat er noch?»
Martha schüttelte den Kopf. «Nein, und auch kein Herzschlag mehr, sagt der Geselle.»
«Nun», erwiderte der Arzt und streckte seine Nase in Richtung Küche, aus der köstliche Gerüche nach Gebratenem drangen. «Nun, ich bin sicher, er ist tot, und ich muss mich nicht eilen. Geh schon vor, ich komme später nach.»
Langsamer, als sie zum Haus des Arztes gelaufen war, ging Martha durch die Stadt zurück zur Kürschnerei. Wöhlers Tod entsetzte auch sie. Sie würde eine langjährige Waschstelle verlieren, eine Stelle, die sie brauchte, um wenigstens genügend Holz und Brot kaufen zu können. In ihrem Alter war es schwierig, einen neuen Haushalt zu finden. Die jungen Wäscherinnen waren gesünder, kräftiger und schneller als sie.
Plötzlich war ihr kalt. Sie steckte die Hände in die Taschen ihres Kittels und fand
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