Die Pension am Deich: Frauenroman
Frank mit seiner Trage wieder auf das fahrbare Gestell geschoben. Sein Mundbereich ist von einer Maske verdeckt, die mit einer Pipeline verbunden ist. Sauerstoff, erkennt Monika besorgt. Er braucht also Sauerstoff. Seine Augen hält er geschlossen. Ist er überhaupt bei Bewusstsein? Monika steht neben ihm und mag ihn nicht ansprechen. Da flattern seine Augenlider und er sieht sie an. Monika verzieht ihr Gesicht auf Kommando zu einem Lächeln. Einem zuversichtlichen, wie sie hofft.
»Ich komme mit. Ich lasse dich nicht allein«, flüstert sie ihm zu. Es klingt wie eine Beschwörungsformel und soll auch eine sein. Sie greift nach seiner Hand und läuft dicht neben der Trage her.
Der Empfangsschalter in der Ambulanz liegt verwaist im Dämmerlicht einer Notbeleuchtung. Nur zwei halbgeleerte Tassen und ein paar achtlos hingeworfene Ordner weisen darauf hin, dass hier normalerweise Betrieb ist.
Die Sanis schieben langsamer weiter. Der Notarzt geht voran und schiebt eine Metalltür auf. Bevor sie die Trage hineinrollen können, versperrt ihnen eine Schwester den Weg. Eine üppig gebaute Vierzigerin. Ihr Gesicht ist puterrot. Auf ihrer Stirn stehen Schweißperlen. Einige davon sind so schwer, dass sie ihr jeden Moment in die Augen zu tropfen drohen. Mit einer ungeduldigen Bewegung wischt sie sie mit dem Unterarm fort. In der anderen Hand hält sie so etwas wie einen Wischmopp. Ihre dunkelbraunen Augen funkeln die Neuankömmlinge empört an. »Wir haben abgemeldet. Dicker Verkehrsunfall. Pennt eure Zentrale? Hier könnt ihr jedenfalls nicht rein. Der Schockraum schwimmt noch«, schimpft sie aufgebracht. Ihr Blick trifft Monika und wird weicher.
»Tut mir leid. Aber hier herrscht gerade Land unter.«
Sie gönnt Frank ein aufmunterndes Lächeln. »Sie kommen gleich auf die Intensiv. Dort werden Sie versorgt. Alles Gute.«
Sie dreht sich um und schiebt die Tür hinter sich zu.
Intensiv, kann Monika nur denken und folgt wie betäubt dem kleinen Trupp in einen Fahrstuhl.
»Sie kommen nur auf die Intensivstation, weil das EKG-Gerät im Schockraum gerade vers… – nicht einsatzfähig ist. Machen Sie sich keine Sorgen«, tröstet der Notarzt Frank, während sie in die erste Etage fahren.
Keine Sorgen machen, denkt Monika. Kreislaufstabil. Warum haben sie ihn dann überhaupt mit ins Krankenhaus genommen?
Als sie aus dem Fahrstuhl kommen, stehen sie fast unmittelbar vor einer Wand aus Milchglas. Intensivstation – Kein Zutritt – Besucher bitte klingeln, steht mit roten Buchstaben in Augenhöhe. Der Arzt gibt einen Zahlencode ein und die Glaswand teilt sich. Sie fahren in einen Vorraum. Noch einmal eine Tür. Dieses Mal genügt ein Knopfdruck, um sie zu öffnen.
Dahinter empfängt sie gedämpftes Licht. Überall Wände aus Glas. Irritierend viele Geräte und blinkende Signale. Die Menschen in den Betten sind kaum zu erkennen. Das wirkt unheimlich und bedrohlich. Dieses Territorium betritt niemand freiwillig. Eine junge Frau und ein Mann kommen ihnen entgegen. Beide tragen grüne Hosenanzüge.
»Toll, jetzt übernehmen wir schon die Arbeit von der Ambulanz«, murrt der Mann den Notarzt an. Dann begrüßt er übergangslos freundlich Frank mit Handschlag. »Moin, ich bin Pfleger Jürgens.«
Er nickt Monika zu. »Sie müssen, bitte, draußen warten. Wir rufen Sie später rein.«
Monika bleibt stocksteif stehen. »Nein, ich bleibe bei meinem Mann.«
Für einen Augenblick sieht es so aus, als würde Pfleger Jürgens aus der Haut fahren. Dann zuckt er resigniert die Schultern.
»Meinetwegen. Heut ist hier sowieso ein einziges Tohuwabohu. Kommen Sie mit.«
Frank wurde ganz an das Ende der Station in ein kleines Zimmer geschoben. Sie haben die Jalousien an den Glaswänden heruntergelassen. Für den Sichtschutz war Monika dankbar. Die Maßnahme verstärkte dazu ihre verzweifelte Hoffnung: Frank gehört nicht zu den Schwerstkranken, die ständig beobachtet werden müssen. Er wird wieder gesund.
Sie haben bei ihm ein EKG geschrieben und Blut abgenommen. Kurze Zeit später bestätigte die diensthabende Ärztin die Anfangsdiagnose des Notarztes. Frank hat keinen Herzinfarkt. Aber für zwei, drei Tage sollte er zum Durchchecken im Krankenhaus bleiben. Nicht hier auf der Intensiv. Auf einer Normalstation. Dorthin würde er so schnell wie möglich verlegt. Die Ärztin hat Frank noch einmal eindringlich angesehen und gefragt, ob er eine akute Stresssituation gehabt hätte?
Er hat nur hilflos mit den Schultern gezuckt. Die
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