Die Pension am Deich: Frauenroman
Angina pectoris, sagen sie. Das ist zum Glück nur eine Voralarmstufe. Es ist wohl mal eine Auszeit fällig. Frank kommt durch.« Sie zögert. Dann sagt sie mit fester Stimme: »Und ich glaube, unsere Ehe auch.«
Kapitel 21
Monika und Frank
Geständnisse auf der Intensivstation
Sie haben Frank auf einer Trage die Treppe heruntergetragen. Vor der Haustür hieven sie sie auf ein fahrbares Gestell. Monika läuft dicht nebenher. Als sie ihn in den Krankenwagen schieben, will sie mit einsteigen. Jemand tippt ihr auf die Schulter. Es ist einer der Sanitäter. Monika ignoriert ihn. Sie will zu Frank. Da hält der junge Mann sie mit sanfter Gewalt am Oberarm fest.
»Kommen Sie bitte mit zu mir nach vorne. Das ist während der Fahrt sicherer. Unser Doc kümmert sich um Ihren Mann.«
Widerwillig folgt sie seiner Aufforderung und setzt sich auf den Beifahrersitz. Durch die Innenscheibe des Wagens kann sie nach hinten sehen. Der Arzt bemüht sich mit dem anderen Sanitäter um Frank. Sie haben ihn verkabelt und an einen kleinen Monitor angeschlossen. Sie kann darauf seine Herzzacke sehen, aber nicht sein Gesicht. Verzweifelt wendet sie sich ab und sieht nach vorn.
Sie fahren langsam, ohne Martinshorn. Nur das bläuliche Alarmlicht kreist. Es wird in den Fensterscheiben der anliegenden Häuser reflektiert.
Die Küstenstraße ist um drei Uhr morgens leer. Die windschiefen Bäume stehen wie Wächter am Straßenrand Spalier. Immer wieder dreht Monika sich um und sieht nach hinten. Frank liegt anscheinend ganz ruhig da. Der Arzt sitzt neben ihm. Frank schläft, tröstet sich Monika. Er hat etwas zur Beruhigung bekommen. Er schläft.
Der Sanitäter neben ihr lächelt ihr aufmunternd zu. »Machen Sie sich keine Sorgen. Der Doc meint, das ist kein Herzinfarkt. Außerdem ist Ihr Mann kreislaufstabil.«
Kein Infarkt. Wie will er das so schnell wissen. Erfahrungswerte. Oder er hat es auf dem Monitor erkannt. Sicher. Kreislaufstabil. Das hört sich gut an. Fast wie gesund. Aber so hat Frank nicht ausgesehen. Sie muss sich mit ihm aussprechen. Sie würde es nie verwinden, wenn er so sterben würde. In diesem Durcheinander der ungeklärten Gefühle.
»Ich muss dringend mit meinem Mann sprechen«, erklärt sie und hantiert an ihrem Sicherheitsgurt. Als könnte sie während der Fahrt nach hinten gelassen werden.
»Das können Sie gleich im Krankenhaus«, antwortet der Sani geduldig. Hoffentlich, denkt Monika und setzt sich wieder gerade hin. Kreislaufstabil, wiederholt sie in Gedanken und starrt auf die nächtliche Landstraße. Kein Infarkt. Warum dauert die verdammte Fahrt so lange? Sie hat den Weg viel kürzer in Erinnerung.
»Können Sie nicht schneller fahren?«
Der junge Mann lächelt, ohne eine Antwort zu geben. Anscheinend ist er Ungeduld und hilflose Fragen gewohnt.
Endlich erreichen sie Wilhelmshaven und das Krankenhaus. Sie fahren an dem Portal vorbei hinter das Gebäude. Ambulanz. Die Buchstaben leuchten im Scheinwerferlicht des Wagens auf. Ihr Fahrer springt nach draußen, öffnet ihr im Vorbeigehen die Tür und eilt zu seinen Kollegen. Monika will hinterher stürmen, aber ihre Beine gehorchen ihr nicht. Nur langsam schafft sie es, einen Fuß nach dem anderen aus dem Wagen zu setzen. Das ist so mühevoll, als wären durch die kurze Fahrt ihre Gliedmaßen versteift.
Vor der Ambulanz parken noch zwei andere Krankenwagen. Ihre Hintertüren sind weit geöffnet. Die Innenräume sind leer. Sanitäter stehen rauchend um einen Außenaschenbecher.
»Moin«, grüßen sie ihre gerade angekommenen Kollegen. »Crash auf der A29. Zwei Polytraumen. Gaby wird sich freuen, wenn ihr auch noch Kundschaft bringt. Die sind noch am Saubermachen.«
Monikas Beine werden plötzlich butterweich und drohen ihr wegzuknicken. Sie muss sich für einen Augenblick am Wagen festhalten.
»Alles okay?«, fragt sie einer der Sanis.
»Ja, alles okay«, bestätigt Monika. Dabei kämpft sie gegen eine aufkommende Übelkeit, die wie eine riesige Kralle ihren Magen umschließt, um dessen Inhalt nach oben zu befördern. Sie schluckt tapfer dagegen an. Bloß keine Schwäche zeigen. Nicht jetzt. Auf keinen Fall erbrechen und schon gar nicht in Ohnmacht fallen. Sonst werden sie dir verbieten, bei Frank zu bleiben und du kannst heute nicht mehr mit ihm reden. Aber ich muss. Monika lässt die Karosserie des Krankenwagens los und stellt sich zur Bestätigung ihrer Worte aufrecht hin. Vorsichtig stakst sie um den Wagen herum nach hinten.
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