Die Pension Eva
Terrasse umgebaut worden, auf der sechs riesige Wassertanks standen. Sicher, die Preise waren angehoben worden, doch die Frauen verstanden ihr Handwerk.
Nicht lange nach der Eröffnung hockten die drei Freunde bei einer Granita aus Kaffee und Sahne im Café Empedocle. Jacolino hatte gute Neuigkeiten für Ciccio und Nenè.
»Ich habe mit meinem Vater gesprochen, er hat endlich ja gesagt und auch schon die Padrona verständigt, Signora Flora: Ihr dürft ab sofort in die Pension kommen, allerdings nur einmal die Woche.«
Die Nachricht verschlug Nenè die Sprache. Am liebsten hätte er Jacolino umarmt.
»Gehen wir doch gleich heute Abend hin«, sagte Ciccio wie aus der Pistole geschossen.
»Immer mit der Ruhe«, sagte Jacolino, »zuerst erkläre ich euch ein bisschen genauer, wie sich die Dinge verhalten. Ihr dürft noch nicht einfach so in die Pension Eva kommen. Wenn das rauskommt, entziehen sie meinem Vater sofort die Lizenz.«
»Was soll das heißen?«, fragte Ciccio enttäuscht.
»Du hast uns doch eben noch gesagt, dass …«, protestierte Nenè.
»Wartet doch, lasst mich doch mal ausreden! Ihr wisst, dass die Pension, genau wie der Friseur und das Theater, montags geschlossen hat. Ihr dürft also jeden Montag die Frauen in der Pension besuchen – aber als Freundinnen, nicht als Huren.«
»Nur als Freundinnen und weiter nichts?«, fragte Ciccio.
»Du bist doch verrückt, Jacolì«, rief Nenè, der noch enttäuschter war als Ciccio. »Das ist ja, als würde man jemandem, der am Verhungern ist, ein Stück Brot vor die Nase halten und es ihm dann nicht geben! Da mache ich nicht mit.«
»Jetzt hört mir doch mal zu! Signora Flora hat ganz klare Regeln aufgestellt. Wenn ihr euch mit den Mädchen gut versteht und eine von sich aus auf euch zugeht, kann sie ein Auge zudrücken. Doch sie müssen den ersten Schritt machen, denn montags haben sie ihren freien Tag und sind zu nichts verpflichtet. Ihr dürft sie also nicht darum bitten. Hab ich mich klar ausgedrückt?«
»Schon klar«, sagte Nenè. »Aber es ist ziemlich schwierig, ein Mädchen rumzukriegen, wenn man gerade mal zwei Stunden oder noch weniger Zeit hat, oder? Don Giovanni kann das vielleicht, aber ich nicht.«
»Man könnte ein bisschen nachhelfen«, sagte Jacolino mit einem hintersinnigen Lächeln.
»Und wie?«
»Ihr beide geht am nächsten Montag in die Taverne von Calò und bestellt fünf Kilo vom besten Fisch. Kauft außerdem fünf Liter guten Wein. Gut und stark muss er sein, so einer, der einen schon beim ersten Glas benebelt. Ich kaufe Brot, Oliven, Sardellen, Käse und Obst.«
»Wir sollen mit ihnen zusammen essen?« Ciccio und Nenè sahen Jacolino verwundert an.
»Genau das.«
»Jacolino, du bist genial«, rief Ciccio begeistert.
»Man tut, was man kann.«
»Du hast recht, nach einem guten Essen und einem oder zwei Gläschen Wein kommt man leichter in Stimmung«, meinte Nenè.
»Aber denkt daran, dass die Pension geschlossen ist, ihr dürft nicht am Haupteingang klingeln, sondern gleich an der Hintertür. Je weniger Leute etwas mitbekommen, desto besser. Ich erwarte euch um Punkt halb neun. Ich werde schon ab vier Uhr in der Pension sein.«
»Und was machst du so früh da?«, fragte Ciccio.
Die beiden Freunde sahen Jacolino verwundert an.
»Na ja … ich hab zu tun.«
»Moment mal! Was hast du montags in der Pension zu suchen, wenn sie doch geschlossen ist?«, beharrte Ciccio.
»Ich besuche Signora Flora.«
»Hast du etwa was mit ihr?«
»Unsinn! Sie gibt mir Nachhilfe, schon seit zwei Monaten.«
» Die gibt dir Nachhilfe?«
»Ja, in Latein und Griechisch. Sie ist eine sehr gute Lehrerin. Hat mal drei Jahre in einem Gymnasium unterrichtet, musste dann aber aufhören, weil sie einen Mann kennenlernte, der … Aber das ist eine lange Geschichte, die erzähl ich euch ein andermal.«
Ciccio und Nenè sahen Jacolino fassungslos an. Doch tatsächlich: Bei der letzten Griechisch-Prüfung hatte Jacolino wirklich eine Drei minus gehabt statt wie sonst immer eine Fünf.
Die Pension erstreckte sich über die gesamte Länge der Gasse. Es gab nur eine Hintertür. Gegenüber der Pension war eine Mauer, die Rückseite eines Holzlagers.
Ciccio trug die Kiste mit den fünf Weinflaschen, darauf lag der ölige Fisch. In die eine Hand hatte er sogar noch einen Blumenstrauß geklemmt, den wollte er Signora Flora mitbringen. Nenè trug die beiden anderen Teller. Ciccio musste mit der Stirn auf den Klingelknopf drücken, weil er keine
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