Die Peperoni-Strategie
diesem Fall ist strategisches Geschick gefragt. Es gilt, vor dem entscheidenden Meeting vier Mitstreiter zu gewinnen, die bereit sind – im direktem Anschluss an Ihren eigenen Beitrag –, Ihre Ideen hochzuloben. Die angehenden Kritiker wissen dann sofort, |85| dass ihre Gegenargumente auf vierfachen Widerstand stoßen werden. Eine schöne Botschaft, die die meisten Nörgler zur Zurückhaltung motiviert. Ist das manipulativ? Nein. In erster Linie ist es erstklassig vorbereitet und inszeniert. Mir persönlich sind keine durchsetzungsstarken (weiblichen oder männlichen) Persönlichkeiten bekannt, die bei wichtigen Fragestellungen offen und unpräpariert ins Meeting gehen. So fatalistisch darf man im Berufsleben nicht sein!
Frauen, die so ein Vorgehen ablehnen, sind übervorsichtig und letztlich entscheidungsschwach, denn sie wollen alles auf einmal: ihre Ziele erreichen, aber niemanden auf den Fuß treten. Sie bremsen sozusagen bei Gelb ab, statt sich auf ihre 200 Pferdestärken zu verlassen und Gas zu geben.
Gerade Frauen tragen in der heutigen Wettbewerbsgesellschaft eine historische Last, denn die Geschichte der mitteleuropäischen Zivilisation ist ein Prozess der schrittweisen Zähmung und Kultivierung menschlicher Aggressivität. Ein Prozess, der bei Frauen erfolgreich verlief, die bevorzugt zum »good girl« erzogen wurden: hilfsbereit, opferwillig, bescheiden, einfach lieb. Als Erfolgsfrauen müssen sie nun diese »Brave-Mädchen- Attitüde « wieder abstreifen, damit sie sich nicht nur an der
political correctness
und der gängigen Moral orientieren, wenn es hart zur Sache geht. Statt Spaß an der weiblichen Aggression und Power zu haben, ist die Folge eine fortwährende Selbstreflexion, die im sogenannten »Cinderella-Komplex« münden kann. Und der ist kontraproduktiv.
Eine wahre Powerfrau: Schon mit 31 Jahren war sie Museumsdirektorin – eine tolle Karriere. Auf die Frage nach ihrem Stolz und ihrer Berufszufriedenheit jedoch antwortete sie: »In meinem Alter sollte es eine Frau nicht mehr nötig haben zu arbeiten. Arbeiten zu müssen, das ist doch ein Zeichen, irgendwie versagt zu haben.«
|86| Der Cinderella-Komplex thematisiert die Jahrhunderte lang antrainierte Angst der Frauen vor der Unabhängigkeit – ein archaischer und fieser Beschneider kreativer weiblicher Kräfte. Ein eingebautes Sabotageprogramm! Frauen stecken damit in einem geschlechtsspezifischen Gefängnis: Sie schlagen sich nicht nur mit einer machtvollen und machtgewohnten Männerwelt herum, sondern auch noch mit einem inneren Feind, der
ihnen einen korrekten und rücksichtsvollen Umgang mit anderen abverlangt und
sie bei diesem Selbstverständnis an der ungerechten Wirtschaftswelt verzweifeln lässt.
Viele Frauen scheitern nicht an ihren Aufgaben oder an ihrer Leistungsbereitschaft – sie scheitern an ihrer zu hohen Messlatte des fairen Wettbewerbs!
Die Good-girl-Orientierung suggeriert, dass sich die Frau mit emotionaler Intelligenz und Teamgeist an die Spitze einer menschenfreundlicheren Geschäftswelt drängen könne. Eine schöne Perspektive mit naivem Einschlag angesichts der Realitäten der Wettbewerbsgesellschaft: Firmenpleiten, feindliche Übernahmen und erhöhter Konkurrenzdruck spiegeln die Rahmenbedingungen der Gegenwart wider, an denen man leicht scheitern kann. Die Good-girl-Orientierung begünstigt darum das Versagen von Führungsfrauen. Die Politikerin Rita Süssmuth zog auf der Düsseldorfer Frauenbildungsmesse das provokante Resümee: »Ich habe den Eindruck, Frauen sind eher die Königinnen der Nacht als die Königinnen der Macht!«
Erfolgsmännern ist es übrigens egal, woran die aufstrebenden Mitbewerberinnen scheitern. Wichtig ist ihnen nur, dass |87| sie scheitern! Vordergründig emphatische männliche Mitstreiter nehmen die weiblichen Machtambivalenzen mit Feingefühl wahr und verstärken sie gerne mit dem Hinweis auf die vernachlässigten Kinder (und schüren bei den Frauen das sogenannte Rabenmutter-Syndrom – die Angst, als Mutter aufgrund der eigenen Karriereorientierung zu versagen) oder auf demnächst zu erwartende Psychosomatosen. Bei männlichen Leistungsträgern über 40 Jahren gilt es als chic, die Stiche im Brustbereich zu pflegen und ausführlich zu besprechen. Das Motto lautet: Man(n) gibt alles. Bei Frauen aber wird dies als Zeichen von Überforderung und Schwäche gewertet. Gleichzeitig fällt als hübsches Nebenprodukt die Desillusionierung von potenziellen Erfolgsfrauen ab: Solch
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