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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Heftigkeit der Seuche bereits nach.
    Ich würde mich freuen, wenn ich den Bericht von diesem trübseligen Jahr mit einigen besonderen geschichtskundlichen Beispielen schließen könnte; ich meine Beispiele dafür, wie wir Gott, unserem Retter, danken mußten, aus dieser furchtbaren Not befreit zu werden. Sicherlich riefen die Umstände unserer Erlösung wie auch die Furchtbarkeit des Feindes, von dem wir erlöst wurden, die ganze Nation zu diesem Dank auf.
    Die Umstände der Befreiung waren in der Tat sehr bemerkenswert, wie ich teilweise schon erwähnt habe, und besonders die Tatsache, daß wir uns in einer so schrecklichen Lage befanden, als wir zur Überraschung aller in der Stadt, mit der freudigen Hoffnung auf ein Ende der Seuche erfüllt wurden.
    Nichts außer der Hand Gottes selbst, nichts als die allmächtige Kraft konnte das getan haben. Die Seuche trotzte aller Medizin, der Tod hielt Ernte in jedem Winkel, und wäre es weiter so gegangen, wie es ging, dann wäre in ein paar Wochen die Stadt von jedem lebendigen Wesen entleert gewesen. Die Menschen waren überall am Verzweifeln, aus Furcht verging ihnen aller Lebensmut, die Angst ihrer Seelen nahm den Leuten jede Hoffnung, und die Schrecken des Todes standen auf ihren Gesichtern und in ihren Blicken.
    Gerade in diesem Moment, als wir mit gutem Recht sagen mochten: »Vergebens war alles menschliche Mühen«, ich sage, gerade in diesem Moment gefiel es Gott, zu unserer sehr willkommenen Überraschung, das Wüten der Pest, und sogar ganz von selbst, erlahmen zu lassen; und ihre Bösartigkeit 310

    wurde schwächer, wie ich schon sagte, und obwohl unzählige Menschen krank waren, so starben doch weniger, und gleich in der ersten Woche sank die Totenziffer auf dem Register um 1843; in der Tat eine ansehnliche Zahl!
    Es ist unmöglich, dem Wandel Ausdruck zu geben, der sich in den Mienen der Menschen vollzog, als an jenem Donners-tagmorgen das Wochenregister erschien. Man konnte in ihren Gesichtern sehen, wie eine scheue Überraschung und ein Lächeln der Freude darin Platz griff. Sie drückten einander auf der Straße die Hände, die gleichen, die zuvor kaum miteinander auf der gleichen Straßenseite gegangen wären. Wo die Straße nicht zu breit war, riefen sie einander aus offenen Fenstern von Haus zu Haus zu und fragten, wie es gehe und ob man die gute Nachricht vom Nachlassen der Pest gehört habe.
    Einige entgegneten dann wohl, wenn sie »gute Nachricht«
    hörten: »Was für eine gute Nachricht?«
    Und wenn sie dann zur Antwort erhielten, daß die Pest am Nachlassen sei und die Zahlen auf dem Register um beinahe 2000 zurückgegangen seien, dann riefen sie aus: »Gott sei gelobt!« und weinten laut vor Freude und versicherten, sie hätten noch nichts davon gehört; und so groß war die Freude der Leute, daß es für sie gewissermaßen eine Auferstehung von den Toten war. Ich könnte beinahe ebenso viele absonderliche Dinge anführen, die sie in dem Übermaß ihrer Freude vollführten, wie vorher in ihrem Gram; aber das wäre nur eine Entwer-tung.
    Ich muß gestehen, ich selbst war, gerade bevor dies geschah, sehr niedergeschlagen gewesen; denn die Zahl derer, die in der Woche zuvor oder seit zwei Wochen von der Krankheit befallen wurden, war, neben denen, die starben, so ungeheuer groß, und das Wehklagen war überall so gewaltig, daß ein Mann wohl hätte, so schien es, gegen jede Vernunft handeln müssen, hätte er auf ein Entkommen auch nur zu hoffen gewagt; und es gab ja auch kaum ein Haus außer dem meinen in der Nachbar-311

    schaft, das nicht infiziert war; darum hätte es, wäre es so weitergegangen, nicht lange gedauert, bis niemand mehr dagewesen wäre, der die Ansteckung noch hätte bekommen können. Man sollte es in der Tat kaum für möglich halten, was die letzten drei Wochen noch für fürchterliches Unheil angerichtet hatten, denn wenn ich der Person, deren Berechnungen ich immer sehr gut fundiert gefunden habe, Glauben schenken darf, dann waren in den drei Wochen, von denen ich spreche, nicht weniger als 30 000 Menschen gestorben und nahezu 100 000 krank geworden; und diese Zahl der Erkrankungen war unerwartet hoch, in der Tat, sie war niederschmetternd und alle, die bis dahin immer noch den guten Mut hochgehalten hatten, ließen ihn jetzt sinken.
    Mitten in der Bedrängnis, als die Lage der Stadt London wahrhaft unselig war, gerade da gefiel es Gott, sozusagen mit eigener Hand den Feind zu entwaffnen; das Gift wurde aus dem Stachel

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