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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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bedauernswerten fieberwahnsinni-gen oder außer sich geratenen Geschöpfe, die, wie ich schon sagte, sich selbst zu begraben vermeinten. Er sagte kein Wort, während er umherging, aber zwei oder drei Mal stöhnte er sehr tief und laut und seufzte, als ob ihm das Herz breche.
    Als die Totengräber ihn einholten, fanden sie bald heraus, daß er weder einer der kranken und verzweifelten Personen war, von denen ich oben sprach, noch geistesgestört, sondern jemand, der mit einem fürwahr grauenhaft schweren Gram beladen war, hatte er doch seine Frau und mehrere seiner Kinder alle auf dem Karren liegen, der eben mit ihm hergekommen war und den er in einem Todeskampf übermäßigen Leids begleitete. Er trauerte tief, wie man sehen konnte, aber mit einer Art männlichen Grams, der sich nicht in Tränen Erleichterung verschaffen konnte; und mit ruhiger Bestimmtheit gebot er den Totengräbern, ihn in Frieden zu lassen, da er nur die Toten begraben sehen wolle und dann fortgehen werde; also behelligten sie ihn nicht weiter. Aber kaum hatten sie den Karren umgewendet und die Leichen alle miteinander in die Grube gekippt, worauf er nicht gefaßt war, denn er hatte zum mindesten erwartet, daß man sie mit Anstand einfahren werde, was, wie er freilich sich später überzeugen ließ, nicht durchführbar war – ich sage, kaum nahm er diesen Anblick wahr, als er laut aufschrie, nicht imstande sich zu beherrschen. Ich konnte nicht verstehen, was er sagte, aber er trat zwei oder drei Schritte zurück und fiel in einer Ohnmacht zu Boden. Die Totengräber liefen zu ihm und hoben ihn auf, und nach kurzer Zeit kam er zu sich, und sie brachten ihn fort, zu der Pie Taverne hinüber, am Ende von Houndsditch; wo, wie es schien, der Mann bekannt war und wo man sich seiner annahm.
    Er schaute, bevor er ging, noch einmal in die Grube, aber die 82

    Totengräber hatten die Toten so rasch mit Erdwürfen bedeckt, daß, obwohl es hell genug war (es waren nämlich auf Erdhau-fen Laternen mit Kerzen darin, deren sieben oder acht oder vielleicht noch mehr, die ganze Nacht über rund um den Rand der Grube aufgestellt), nichts mehr zu sehen war.
    Dies war in der Tat eine traurige Szene, und sie bedrückte mich beinahe so sehr wie das übrige; aber das andere war schaurig und voll der Schrecken. Der Karren hatte sechzehn oder siebzehn Leichen geladen; einige waren in Leinenlaken gehüllt, andere in Lumpen, manche waren kaum anders als nackt oder so lose bekleidet, daß alles, was sie am Leibe hatten, beim Auskippen aus dem Karren von ihnen gefallen war und sie völlig nackt unter die übrigen fielen; aber das machte ihnen nicht viel aus, und auch sonst konnte niemand daran Anstoß nehmen, da man doch sah, daß sie tot waren und alle zusammen im gemeinsamen Grab der Menschheit, wie wir es nennen können, vermengt wurden; denn hier gab es keinen Unterschied, sondern arm und reich gingen miteinander; eine andere Art der Beerdigung gab es nicht, wäre auch gar nicht möglich gewesen, denn Särge waren nicht zu haben für die Anzahl der Opfer, die ein Unheil wie dieses forderte.
    Von den Totengräbern wurde, als ein großes Ärgernis, er-zählt, daß, wenn ihnen ein Leichnam in geziemender Einhüllung abgeliefert wurde, und darunter verstanden wir damals, in ein Wickellaken eingewickelt, das an Kopf und Fuß verschnürt wurde, (manche taten das auch damals, und man nahm gutes Leinen dazu) – ich sage, es wurde erzählt, daß die Totengräber so schlimm waren, daß sie sie auf dem Totenkarren auszogen und sie ganz nackt ins Grab schafften. Aber da ich von Chri-stenmenschen etwas so Niederträchtiges nicht leicht glauben kann, noch dazu in einer Zeit, die so von Grauen erfüllt war wie jene, kann ich es nur berichten und stelle es anheim.
    Unzählige Geschichten gingen auch über das herzlose Betragen und die üblen Bräuche der Wärter und Wärterinnen um, 83

    die die Kranken pflegten, und daß sie das Schicksal derer, die in ihrer Krankheit ihrer Sorge anvertraut waren, beschleunigten. Aber davon werde ich bei Gelegenheit noch mehr zu sagen haben.
    Mich hatte der Anblick in der Tat entsetzt; es war fast zuviel für mich, und ich ging fort, im Herzen gepeinigt und voll quälender Gedanken, so wie ich sie nicht beschreiben kann.
    Gerade als ich aus der Kirche kam und mich die Straße aufwärts meinem Hause zuwandte, sah ich wieder einen Karren mit Fackeln und einem Klingler vornweg aus Harrow Alley in der Butcher Row kommen; er fuhr auf der anderen

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