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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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einem der Fenster auf der anderen Seite der Gasse rief jemand und fragte: »Was gibt es?« worauf aus dem ersten Fenster die Antwort kam: »O Gott, der alte Herr hat sich aufgehängt!« Der andere fragte wiederum: »Ist er schon tot?«
    und der erste antwortete: »Ja, ja, ganz tot; ganz tot und kalt!«
    Dieser Mensch war ein Kaufmann und stellvertretender Stadtrat und sehr reich.

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    Ich möchte seinen Namen nicht erwähnen, obwohl er mir bekannt ist, aber das wäre für die Familie peinlich, die jetzt wieder sehr erfolgreich ist.
    Aber dies war nur einer; es ist kaum glaublich, was für grausige Fälle sich jeden Tag in einzelnen Familien ereigneten.
    Menschen, die in der Hitze des Fiebers oder in der Pein ihrer Geschwülste, die in der Tat unerträglich war, außer sich gerieten, rasend und wahnsinnig wurden und oft gewaltsam Hand an sich legten, sich zum Fenster hinausstürzten, sich erschossen etc.; Mütter, die im Irrsinn ihre eigenen Kinder mordeten; manche, die vom reinen Kummer überwältigt wurden, manche, die ohne jede Ansteckung, nur aus Schreck und Bestürzung starben; andere, die das Entsetzen in den Schwachsinn oder zu albernen Verrücktheiten trieb oder in Verzweiflung und Wahn oder wieder andere in melancholische Schwermut.
    Der Schmerz der Geschwülste im besonderen war äußerst heftig und für manche unerträglich; und man kann sagen, daß die Ärzte manch ein armes Geschöpf gar zu Tode gemartert haben. Wenn bei manchen die Geschwülste hart wurden, legten sie Ziehpflaster oder Breiumschläge auf, um sie zum Aufbrechen zu bringen, und wenn das nicht half, schnitten sie die Geschwüre und stachen sie auf, was fürchterlich war. Bisweilen wurde die Härte nur zu einem Teil durch die Gewalt der Krankheit, zum andern aber dadurch hervorgerufen, daß zu gewaltsam an ihnen herumkuriert wurde, und sie wurden so hart, daß sie sich mit keinem Instrument schneiden ließen, und dann brannte man sie mit Ätzmitteln, so daß viele, rasend vor Schmerzen, dabei starben, und manche mitten in der Operation.
    In dieser äußersten Not legten manche Hand an sich, wie oben, und es gab ja auch zu wenig Hilfskräfte, um sie im Bett festzuhalten oder sie zu beaufsichtigen. Manche brachen auf die Straße aus, nackt vielleicht, und liefen dann geradewegs zum Fluß hinunter, und wenn sie nicht durch Wachmänner oder Polizisten aufgehalten wurden, stürzten sie sich ins 107

    Wasser, sobald sie es erreichten.
    Es schnitt mir oft die Seele entzwei, das Stöhnen und Schreien zu hören, wenn sie so gequält wurden, aber wenn die Krankheit so ausschlug, galt es noch als die hoffnungsvollste ihrer Erscheinungsformen; denn sobald diese Geschwülste zum Aufbrechen und Auslaufen oder, wie die Wundärzte sagen, zur Ausscheidung gebracht werden konnten, wurde der Patient gewöhnlich wieder gesund; wohingegen diejenigen, die sogleich vom Tod getroffen wurden und die Anzeichen der Pest erst hinterher offenbarten, oft bis kurz vor dem Tod, ohne eine Veränderung zu spüren, umhergingen, manche bis zu dem Augenblick, wo sie umfielen, so wie es bei Schlaganfällen oder bei Epileptikern oft geschieht. Solche fühlten sich dann plötzlich sehr krank und konnten nur noch zu einer Bank oder einem Mauervorsprung oder sonst einem bequemeren Ort, der sich gerade bot, hinlaufen, oder wenn möglich noch bis in ihr eigenes Haus, wie ich es vorher erwähnte, und dort niedersit-zen, schwach werden und sterben. Diese Art des Sterbens war ziemlich die gleiche wie bei denen, die an dem gewöhnlichen kalten Brand sterben; man stirbt wie in einer Ohnmacht und geht sozusagen im Traum dahin. Die, die so starben, hatten wenig davon gemerkt, daß sie überhaupt angesteckt waren, bevor der Brand sich durch den ganzen Körper gefressen hatte; nicht einmal die Ärzte konnten mit Sicherheit wissen, wie es mit ihnen stand, bis sie ihnen die Brust oder andere Körperteile öffneten und dann die Zeichen sahen.
    Wir bekamen zu dieser Zeit eine Menge gräßlicher Geschichten zu hören, von Krankenwärtern und Wachmännern, die nach den Sterbenden sahen; nämlich, daß bezahlte Pfleger und Pflegerinnen die Seuchekranken, die sie warteten, barbarisch behandelten, sie verhungern, ersticken ließen oder mit anderen bösartigen Mitteln ihr Ende beschleunigten, das heißt, sie ermordeten; und daß Wachmänner, wenn sie ein verschlossenes Haus zu bewachen hatten, in welchem nur noch ein einzi-108

    ger Bewohner übrig war, und der vielleicht krank lag, in das Haus

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