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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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wenn sie, wie es bisweilen vorkam, gut angezogen waren, die Kleider auszuziehen und mitzunehmen, was sie nur bekommen konnten.
    Aber um wieder von den Märkten zu sprechen. Die Fleischer gebrauchten die Vorsicht, immer ein paar Beamte zur Hand zu haben, die, wenn einer auf dem Markt starb, den Toten auf einen Handkarren hoben und ihn zum nächsten Friedhof brachten; und das kam so häufig vor, daß solche auf dem wöchentlichen Sterberegister nicht unter »Auf der Straße oder im Freien tot aufgefunden« eingetragen wurden, wie es heute geschieht, sondern unter der allgemeinen Rubrik der großen Seuche mitgezählt wurden.
    Aber dann steigerte sich das Wüten der Pest so sehr, daß auch die Märkte, verglichen mit früheren Zeiten, nur noch sehr spärlich mit Nahrungsmitteln beliefert oder von Käufern aufgesucht wurden; und der Lordbürgermeister veranlaßte, daß die Landleute, die Lebensmittel in die Stadt brachten, an den Einfahrtstraßen angehalten wurden und dort ihre Waren feilbo-104

    ten; da verkauften sie an Ort und Stelle, was sie gebracht hatten, und kehrten sofort wieder zurück; und die Leute vom Land waren dessen nur froh, denn sie konnten ihre Sachen gleich am Eingang der Stadt verkaufen oder sogar auf offenen Feld, wie besonders auf den Feldern hinter Whitechapel, auf den Spitalfields*; ebenso auf den St. Georgs Feldern in Southwark, auf den Bunhill Feldern und auf einem großen Feld, das Wood’s Close heißt, in der Nähe von Islington.
    Dorthin schickten der Lordbürgermeister, die Stadträte und hohen Magistratsbeamten ihre Unterstellten und Dienstboten, für ihre Familien einzukaufen, während sie selbst sich soweit wie möglich innerhalb ihrer Häuser hielten, und ähnlich taten es viele andere; und seit man diese Methode befolgte, kamen die Leute vom Land mit der freudigsten Bereitwilligkeit und brachten Lebensmittel aller Art herbei, und äußerst selten stieß einem von ihnen etwas zu, was, wie ich glaube, zu dem Ge-rücht beitrug, sie seien auf wunderbare Art verschont worden.
    Was meinen kleinen Hausstand angeht, so hatte ich, wie gesagt, einen Vorrat an Brot, Butter, Käse und Bier angelegt und nahm den Rat meines Freundes und Arztes an und schloß mich mit meinen Hausgenossen ein und nahm mir vor, lieber für ein paar Monate die Entbehrung einer fleischlosen Kost zu ertragen, als Fleisch unter Gefahr für unser Leben zu kaufen.
    Aber obwohl ich meine Hausgenossen festsetzte, konnte ich meiner nimmersatten Neugier doch nicht soweit gebieten, daß ich selbst stets im Hause blieb; zwar kam ich gewöhnlich von Furcht und Entsetzen gepackt zurück, aber es litt mich dennoch nicht lange daheim; nur daß ich nicht so häufig mehr ausging wie vordem.
    In der Tat oblagen mir einige kleinere Pflichten, wie zum Haus meines Bruders zu gehen, das in der Pfarre Coleman

    * Die Straße, die jetzt Spitalfields heißt, war damals tatsächlich noch offenes Feld. (Anmerkung aus der Edition von 1754.)

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    Straße lag und das er meiner Sorge anvertraut hatte, und dort ging ich hin, zuerst jeden Tag, aber später nur ein- oder zweimal in der Woche.
    Bei diesen Gängen stieß ich auf viele gräßliche Szenen, so zum Beispiel, daß Menschen auf der Straße tot hinfielen, und auf Frauen, die schreckliche Schreie ausstießen und laut kreischten; in ihrer Todesangst stießen sie die Fenster ihrer Schlafkammern auf und schrien auf das gräßlichste und bestür-zendste hinaus. Es ist unmöglich zu beschreiben, auf wie verschiedene Art in Haltung und Gebärde die armen Menschen ihre Leiden ausdrückten.
    Als ich einmal durch den Tokenhouse Yard in Lothbury ging, öffnete sich plötzlich just über meinem Kopf mit Heftigkeit ein Fenster, und eine Frau schrie dreimal fürchterlich auf und rief dann: »Oh, Tod, Tod, Tod!« in einem Ton, den man nicht nachahmen kann und der mir mit einem Frösteln tief ins Mark drang. Es war auf der ganzen Straße niemand zu sehen, auch keines der anderen Fenster öffnete sich, denn die Leute waren jetzt niemals mehr neugierig, und es konnte ja auch keiner dem andern helfen, und so ging ich weiter in die Glocken-Gasse hinein.
    Eben war ich in der Glocken-Gasse, auf der rechten Gehseite, als ein noch schrecklicherer Schrei ertönte, obgleich er nicht aus einem offenen Fenster kam; aber das ganze Haus mußte in einem Aufruhr des Schreckens sein, und ich konnte Frauen und Kinder schreiend und wie von Sinnen durch die Zimmer rennen hören, dann öffnete sich ein Dachkammerfenster, und aus

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