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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Whitechapel hörte, dann hatte es sich in St. Giles zugetragen oder in Westminster oder Holborn oder jener Gegend der Stadt.
    Wenn man dort davon hörte, dann war es in Whitechapel oder in der Minoritenpfarre oder in Cripplegate geschehen. Wenn man es in der City hörte, war es in Southwark geschehen, und wenn man es in Southwark hörte, war es in der City geschehen und so fort.
    Und das zweite Merkmal: Wo immer es sich abgespielt haben sollte, die Einzelheiten waren stets die gleichen, besonders daß ein feuchter Lappen einem Sterbenden auf das Gesicht gelegt worden sein soll und daß eine junge vornehme Dame erstickt worden sei; so war es offenbar, wenigstens nach meinem Dafürhalten, daß daran mehr Dichtung als Wahrheit war.
    Ich muß jedoch zugeben, daß es seine Wirkung auf die Leute hatte, und insonderheit, daß sie, wie ich schon sagte, mehr darauf achteten, wen sie zu sich ins Haus nahmen und wem sie ihr Leben anvertrauten, und daß man sich nach Möglichkeit immer Empfehlungen geben ließ; und wenn solche mit Empfehlungen nicht zu finden waren, denn von denen gab es nicht allzuviele, wandte man sich an die Gemeindebeamten.
    Aber auch hier lag wieder die größte Last auf den Schultern der Armen, die, wenn sie befallen wurden, weder Nahrung noch Arznei hatten, weder Arzt noch Apotheker, ihnen beizustehen, noch Krankenwärter, sie zu pflegen.

    111

    Viele von ihnen starben elendig und ganz jammervoll zum Fenster hinaus um Hilfe, ja um Stillung ihres Hungers schreiend; aber es muß hinzugesetzt werden, daß wann immer man solche Notfälle von Einzelpersonen oder Familien dem Lordbürgermeister vortrug, stets Abhilfe geschaffen wurde.
    Es trifft freilich zu, daß in manchen Häusern, wo die Menschen gar nicht sehr arm waren, doch wo man vielleicht Frau und Kinder weggeschickt und die Dienerschaft, so sie vorhanden gewesen war, entlassen hatte – ich sage, es trifft zu, daß viele solcher Menschen, um Kosten zu sparen, sich selbst eingeschlossen hatten und dann, ohne Hilfe, allein starben.
    Ein Nachbar und Bekannter von mir, dem ein Ladenbesitzer in der Whitecross Straße oder daherum eine Summe Geld schuldete, schickte seinen Lehrling, einen jungen Burschen von etwa 18 Jahren, er solle versuchen, das Geld zu kassieren. Er kam zur Tür, und da er sie verschlossen fand, klopfte er ziemlich laut, und als er glaubte, jedoch nicht sicher war, von drinnen eine Antwort zu hören, wartete er und klopfte nach einer Weile nochmals und dann ein drittes Mal, worauf er jemand die Treppe hinabkommen hörte.
    Schließlich erschien der Mann aus dem Hause an der Tür; er trug enge Unterhosen und eine gelbe Flanellweste, keine Strümpfe, ein Paar Schlaufenschuhe, eine weiße Kappe auf dem Kopf und, wie der junge Mann sagte, »den Tod im Gesicht«.
    Als er die Tür öffnete, fragte er: »Warum störst du mich so?«
    Der Junge, obwohl ein wenig überrascht, antwortete: »Ich komme von So-und-so, und mein Herr schickt mich nach dem Geld, und, sagt er, Ihr wißt Bescheid.« »Sehr gut, Kind«, entgegnete die gespenstische Erscheinung, »sag in der Cripplegate Kirche Bescheid, wenn du vorbeikommst, sie sollen die Sterbeglocke läuten«; und schloß mit diesen Worten die Tür wieder und ging hinauf und starb noch am gleichen Tag, ja vielleicht in der gleichen Stunde. Dies hat mir der junge Mann 112

    selbst erzählt, und ich habe Grund, es zu glauben. Dies war, als die Pest noch nicht ihren Höhepunkt erreicht hatte. Ich glaube, es war im Juni, gegen Ende dieses Monats; es muß gewesen sein, bevor noch die Totenkarren herumfuhren und als sie noch für die Sterbenden die Glocke läuteten, und mit diesem Brauch war es, in jener Pfarre jedenfalls, bestimmt vor dem Juli vorbei, denn um den 25. Juli starben dort 550 oder mehr in der Woche, und da konnte man niemanden mehr mit Förmlichkeit bestatten, ob reich oder arm.
    Ich habe oben gesagt, daß es trotz dieser schauerlichen Schreckenszeit überall und bei jeder Gelegenheit, wo eine Beute zu riechen war, von Dieben wimmelte, und daß diese Diebe meist Frauen waren. Eines Morgens gegen elf war ich beim Haus meines Bruders in der Pfarre Coleman Straße angelangt, wohin ich öfter ging, um nach dem Rechten zu schauen.
    Das Haus hatte einen kleinen Hof mit einer Ziegelmauer und einem Tor, und innerhalb der Mauer waren die Lagerhäuser, wo mein Bruder Waren der verschiedensten Art aufbewahrte.
    Es traf sich, daß in einem dieser Lager mehrere Stapel hochkrempiger Damenhüte waren, die vom

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