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Die Pest zu London

Die Pest zu London

Titel: Die Pest zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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Hausgemeinschaft nur eine alte Frau, die die Wirtschaft besorgte, ein Dienstmädchen, zwei Lehrlinge und mich selber; und als die Pest rundherum zuzunehmen anfing, machte ich mir oft trübe Gedanken darüber, welchen Weg ich wohl einschlagen und wie ich mich verhalten sollte.
    Die vielen grausigen Bilder, die ich überall, wenn ich durch die Straßen ging, zu sehen bekam, hatten mich mit einem großen Maß von Entsetzen erfüllt, und sei es aus Furcht vor der Seuche, die in der Tat schon entsetzensvoll an sich war, bei manchen mehr als bei anderen. Die Schwellungen, die gewöhnlich am Hals oder an den Lenden auftraten, waren, wenn sie hart wurden und nicht aufgehen wollten, so schmerzhaft, daß es der ausgesuchtesten Marter gleichkam; und manch einer, nicht mehr imstande, die Qual zu ertragen, stürzte sich aus dem Fenster oder erschoß sich oder machte sonstwie seinem Leben ein Ende, und ich erlebte verschiedene scheußliche Szenen dieser Art. Andere, unfähig sich noch zu beherrschen, erleich-terten sich von dem Schmerz durch unaufhörliches Brüllen, und wenn wir über die Straße gingen, mußten wir so laute und jammervolle Schreie hören, daß es einem das Herz durchdringen konnte, wenn man nur daran dachte, zumal immer zu erwägen war, daß die gleiche gräßliche Pein jeden Augenblick uns selber ergreifen konnte.
    Ich muß eingestehen, daß ich jetzt begann, in meinem Entschluß wankend zu werden; meine Zuversicht hatte mich verlassen, und ich bereute bitter meine Leichtfertigkeit. Wenn ich ausgewesen war und solch schreckliche Dinge erlebt hatte wie die, von denen ich eben sprach, dann, sage ich, bereute ich meine Leichtfertigkeit, so verwegen in der Stadt auszuharren.
    Ich wünschte oft, ich hätte es nicht auf mich genommen dazu-bleiben, sondern wäre mit meinem Bruder und seiner Familie fortgegangen.
    Vom Entsetzen über diese fürchterlichen Eindrücke getrie-100

    ben, ging ich dann heim, und es war mehr als einmal, daß ich mich entschloß, nie wieder auszugehen; und diesen Vorsatz pflegte ich auch drei oder vier Tage zu halten, welche Zeit ich in der aufrichtigsten Dankbarkeit für meine Bewahrung und die Bewahrung meines Hausstandes verbrachte und mit dem ständigen Bekenntnis meiner Sünden, indem ich mich jeden Tag Gott anheimgab und mich mit Fasten, Bußübungen und Meditationen Ihm zuwandte. Jede freie Zeit, die ich hatte, benutzte ich, um Bücher zu lesen und mir über alles, was mir jeden Tag auffiel, Notizen zu machen, denen ich später auch den größten Teil dieses Werkes entnommen habe, soweit es meine Beobachtungen außer dem Hause betrifft. Was ich von meinen persönlichen Überlegungen aufschrieb, behalte ich mir für meinen privaten Gebrauch vor, und ich möchte nicht, daß es, zu welchem Behuf auch immer, veröffentlicht werde.
    Ich schrieb außerdem auch Betrachtungen über Gegenstände der Religion, so wie sie mir zu der Zeit einkamen und mir selbst Gewinn brachten, ohne in irgendeiner anderen Hinsicht brauchbar zu sein, und deshalb will ich darüber schweigen.
    Ich hatte einen sehr guten Freund, einen Arzt, Heath mit Namen, den ich während dieser trübseligen Zeit oft besuchte und dem ich mich sehr verpflichtet fühlte; gab er mir doch gute Ratschläge, welche Mittel ich gebrauchen sollte, um der Ansteckung vorzubeugen, wenn ich ausging – (er wußte, daß ich das häufig tat) – und was ich im Munde halten sollte, solange ich auf der Straße war. Er kam auch oft, mich zu besuchen, und da er ein ebenso guter Christ wie Arzt war, fand ich an seiner angenehmen Unterhaltung einen starken Halt in den schlimmsten Tagen dieser schrecklichen Zeit.
    Es war jetzt Anfang August, und die Pest wurde in dem Viertel, wo ich wohnte, immer heftiger und fürchterlicher, und Dr.
    Heath kam mich wieder einmal besuchen, und da er wußte, daß ich mich so oft auf die Straße hinauswagte, redete er mir ernsthaft zu, mich mit meiner Familie im Hause einzuschließen 101

    und keinem von uns mehr zu gestatten, auszugehen; alle Fenster fest verschlossen zu halten, Läden und Vorhänge dicht zu schließen und sie niemals zu öffnen; sondern zuerst in dem Raum, wo ein Fenster oder eine Tür geöffnet werden sollten, einen starken Rauch zu entfachen, mit Harz und Pech, Schwefelstein oder Schießpulver und dergleichen; und das taten wir auch eine Zeitlang; aber da ich für eine solche Zurückgezogenheit keine Vorräte an Lebensmitteln angelegt hatte, war es unmöglich, daß wir uns vollständig innerhalb des

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