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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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um so ungestümer wurde er, und er geriet so sehr in Hitze, daß er laut sagte: »Nun, er wird doch nicht tot sein, oder?« Worauf sein Nachbar immer noch schwieg, aber einen Blick nach oben warf und etwas vor sich hin murmelte; da erbleichte der erste Mann und brachte nicht mehr hervor als: »Dann bin auch ich ein toter Mann«, und ging sogleich heim und schickte nach dem nächsten Apotheker, um sich ein vorbeugendes Mittel geben zu lassen, denn er hatte bislang noch nichts von Kranksein gespürt; aber der Apotheker, als er ihm das Hemd öffnete, stieß einen Seufzer aus und sagte nur noch: »Sei Gott Euch gnädig«, und der Mann starb in wenigen Stunden.
Nun mag ein jeder, von einem Fall wie diesem ausgehend, selbst urteilen, ob es mit behördlichen Maßnahmen möglich ist, sei es durch Sperren von Häusern oder Fortschaffen der Kranken, einer Seuche Einhalt zu gebieten, die sich von Mensch zu Mensch fortpflanzt, und zwar auch dann, wenn einer sich vollkommen wohlfühlt und vielleicht viele Tage lang nichts von einem Krankwerden spürt.
Es mag hier am Platz sein zu fragen, wie lange man annehmen kann, daß einer den Keim der Ansteckung in sich hat, bevor sie sich auf ihre unselige Art offenbart, und wie lange einer umhergehen mag, dem Anschein nach ganz gesund, und dennoch allen, die ihm nahekommen, Ansteckung bringend. Ich glaube, nicht einmal die erfahrensten Ärzte können auf diese Frage unumwundener antworten als ich es könnte; und vielleicht mag ein laienhafter Beobachter etwas wahrnehmen, was ihrer Beobachtung entgeht. Es scheint die Meinung der Ärzte im allgemeinen zu sein, daß die Krankheit in den Lebensgeistern schlafend liegt oder in den Blutgefäßen, und dort eine beträchtliche Zeit verbleibt.
Warum sonst verlangen sie von denen, die aus seucheverdächtigen Orten in einen Hafen kommen, die Quarantäne? Vierzig Tage sind, sollte man meinen, zu lange für die Natur, um mit einem Feind wie diesem zu ringen, ohne entweder gesiegt oder sich ergeben zu haben. Aber ich könnte mir nach allem, was ich selbst beobachtet habe, auch nicht denken, daß einer länger als fünfzehn oder zum höchsten sechzehn Tage infiziert ist und immer noch auf andere ansteckend wirkt; auf Grund dieser Überlegungen geschah es auch, daß man in der City, wenn ein Haus gesperrt worden und jemand darin an der Pest gestorben war, nach sechzehn oder achtzehn Tagen jedoch sonst niemand in der Familie ein Zeichen von Erkrankung gab, nicht mehr weiter streng war und nichts dagegen einwendete, daß sie im stillen das Haus verließen; auch pflegte sich vor ihnen dann keiner mehr zu fürchten, sondern die Leute glaubten eher, sie seien nun um so mehr gefeit, nachdem sie sich unverwundbar erwiesen hatten, wo der Feind in ihrem eigenen Haus gewesen war; manchmal freilich mußten wir feststellen, daß das Übel sich noch viel länger verborgen gehalten hatte. Aus allen diesen Beobachtungen kann ich nur eine Schlußfolgerung ziehen – mag auch die Vorsehung mein Verhalten anders gelenkt haben, so ist es doch meine Überzeugung, und die Nachwelt soll es sich so von mir verschreiben lassen: Die beste Medizin gegen die Pest ist, vor ihr davonzulaufen. Ich weiß, daß die Leute sich Mut einreden, indem sie sich sagen, Gott sei imstande, uns inmitten der Gefahr am Leben zu erhalten, und Er sei imstande, uns zu ereilen, wenn wir glauben, wir seien außer Gefahr; und das ließ Tausende in der Stadt zurückbleiben, deren Leichen dann wagenweise in die großen Gruben gingen und die, wenn sie vor der Gefahr geflohen wären, vor dem Unheil bewahrt worden wären; jedenfalls ist es wahrscheinlich, daß sie bewahrt worden wären.
Und würden bei einer zukünftigen Gelegenheit dieser oder ähnlicher Art die Menschen nur diesen fundamentalen Grundsatz gehörig beherzigen, ich bin überzeugt, es würde sie zu ganz anderen Maßnahmen zur Sicherung der Bevölkerung führen, als man sie im Jahre 1665 ergriff und als sie sonst irgendwo ergriffen wurden und zu meiner Kenntnis gelangten. Kurz gesagt, sie würden darauf halten, daß die Menschen in kleinere Gruppen aufgeteilt würden und sich beizeiten weiter auseinander begäben, und so würden sie verhindern, daß eine ansteckende Seuche dieser Art, die doch in der Tat hauptsächlich für eng zusammenlebende Gruppen von Menschen gefährlich ist, eine Million Menschen zu einer Körperschaft vereinigt vorfindet, wie es ungefähr damals der Fall war und wie es bestimmt wieder der Fall sein würde, wenn die Seuche

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