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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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verschieden; in anderen Fällen liefen sie herum, bis sich die Zeichen an ihnen einstellten, merkten es aber dennoch selbst nicht und starben eine oder zwei Stunden nach ihrer Heimkunft, obwohl sie, solange sie draußen gewesen waren, sich wohlauf gefühlt hatten. Dies waren die gefährlichen Leute; dies waren die Leute, vor denen die Gesunden sich hätten fürchten sollen; aber es war freilich andererseits unmöglich, sie zu erkennen.
Und das ist der Grund, warum es bei einer Heimsuchung unmöglich ist, die Ausbreitung der Pest, auch bei der äußersten menschlichen Wachsamkeit, zu verhindern, daß es unmöglich ist, die Infizierten von den Gesunden zu unterscheiden und daß auch die Infizierten selbst es niemals mit Sicherheit wissen können. Ich kannte einen Mann, der den ganzen Pestsommer im Jahr 1665 hindurch sich in London frei herumbewegte und ein Gegengift oder Cordial mit sich führte, um es einzunehmen, wenn er sich in Gefahr glaubte, und er besaß ein Mittel, um die Gefahr zu erkennen oder um sich warnen zu lassen, wie ich es vorher und nachher nie wieder angetroffen habe. Wie weit man sich darauf verlassen kann, weiß ich nicht. Er hatte eine Wunde am Bein, und jedesmal wenn er unter Leute kam, die nicht ganz gesund waren, und die Ansteckung auf ihn eindrang, dann, sagte er, merkte er es an diesem Signal, nämlich daß die Wunde in seinem Bein zu brennen anfing und blaß und weiß aussah; sobald er sie dann brennen fühlte, war es Zeit für ihn, sich zu verabschieden oder sich durch Einnehmen seines Tranks zu feien, welchen er zu diesem Zweck stets bei sich trug. Nun stellte er, scheint es, recht häufig fest, daß seine Wunde zu brennen anfing, wenn er in Gesellschaft mit solchen war, die sich ganz gesund glaubten und die voreinander auch so erschienen; er aber pflegte dann sogleich aufzustehen und ganz offen zu sagen: »Freunde, hier ist jemand im Raum, der die Pest hat« und somit die Versammlung aufzuheben. Dies war in der Tat ein getreulicher Mahner für alle, daß diejenigen der Pest nicht entgehen werden, die in einer befallenen Stadt mit jedermann ohne Unterschied Umgang pflegen, daß die Menschen sie haben, ohne es zu wissen, und daß sie sie ebenfalls weitergeben, ohne zu wissen, daß sie sie selbst haben; und unter diesem Gesichtspunkt ist es unzureichend, die Kranken von den Gesunden zu scheiden, wenn man nicht einen Fall zurückverfolgen kann, und auch alle die absondert, mit denen der Kranke jemals Umgang gehabt hat, auch schon zu der Zeit, bevor er selbst wußte, daß er krank war; aber niemand könnte sagen, wie weit man da zurückzugehen habe oder wo man aufhören könne; denn niemand weiß, wann oder wo oder wie er sich die Ansteckung zugezogen hat oder von wem. Dies sehe ich als den Grund dafür an, daß soviel Leute davon sprachen, die Luft sei verdorben und verseucht und daß es nicht not tue achtzugeben, mit wem man Umgang habe, weil die Ansteckung ja in der Luft sei. Ich habe manchen in dieser Hinsicht völlig fassungslos vor Überraschung gesehen. »Ich bin niemals irgendwem nahe gekommen, der die Seuche hatte«, hieß es dann bestürzt »ich habe mit niemandem als mit lauter blühend gesunden Menschen verkehrt, und trotzdem habe ich die Pest bekommen!« »Es muß mich bestimmt vom Himmel getroffen haben«, sagt ein anderer und sieht es von ernsterer Seite. Und der erste beteuert weiter: »Ich bin nie der Pest oder einem Pestkranken nahe gekommen; es muß gewiß in der Luft sein. Wir nehmen den Tod in uns auf, wenn wir atmen, und darum ist es der Wille Gottes; man kann sich dem nicht widersetzen.« Und dies veranlaßte zuletzt viele Leute, als sie erst an die Gefahr gewöhnt waren, weniger besorgt zu sein und gegen Ende und zur Zeit des Höhepunktes auch weniger Vorsicht anzuwenden als zu Anfang. Sie pflegten dann mit einer Art türkischem Vorherbestimmungsglauben zu sagen, wenn es Gott gefalle, sie zu treffen, dann sei es ganz einerlei, ob sie hinausgingen oder zu Hause blieben; sie könnten doch nicht davonkommen, und deswegen gingen sie unbedacht herum, sogar in befallene Häuser und unter erkrankte Freunde; besuchten die Kranken und, kurz gesagt, schliefen im gleichen Zimmer mit ihren Frauen und Verwandten, auch wenn sie infiziert waren. Und was war die Folge?
Genau das gleiche, was in der Türkei die Folge ist und in all den Ländern, in denen sie sich so verhalten, nämlich daß sie ebenfalls angesteckt wurden und zu Hunderten und Tausenden starben. Fern sei es mir, die

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