Die Pest Zu London
rechte Furcht vor Gottes Strafgerichten herabzumindern und die Ehrerbietung gegen Seine Vorsehung, denn solcher Gesinnung sollen wir uns stets befleißigen, wenn eine Gelegenheit dazu ruft wie diese. Zweifellos ist eine Heimsuchung in sich ein Schlag vom Himmel für die Stadt oder das Land oder das Volk, die getroffen werden; eine Botschafterin Seiner Rache und ein lauter Ruf an jenes Volk oder Land oder Stadt, sich zu demütigen und Buße zu tun, entsprechend jenem Wort des Propheten Jeremias (VIII, 7-8): »Plötzlich rede ich wider ein Volk und Königreich, daß ich es ausrotten, zerbrechen und verderben wolle. Wo sichs aber bekehrt von seiner Bosheit, dawider ich rede, so soll mich auch reuen das Unglück, das ich ihm gedachte zu tun.« Und gerade um den Gemütern der Menschen die Furcht Gottes, wie sie sich solchen Fügungen gegenüber gehört, einzuprägen, nicht aber um sie zu vermindern, habe ich in diesen Aufzeichnungen das Vergangene festgehalten.
Ich sage darum, ich will niemandem die Achtung versagen, weil er die Ursache dieser Geschehnisse unmittelbar in die Hand Gottes verlegt und in den Willen und die Absicht Seiner Vorsehung; nein, im Gegenteil, es gab viele wunderbare Bewahrungen vor der Seuche und Heilungen von Personen, die schon befallen waren, und dies deutet in den betreffenden Einzelfällen auf eine einzigartige und außergewöhnliche Führung durch die Vorsehung, und ich betrachte meine eigene Gesunderhaltung als beinahe ein Wunder und zeichne sie mit aller Dankbarkeit auf.
Aber wenn ich von der Pest als von einem körperlichen Übel spreche, das von natürlichen Ursachen herrührt, dann müssen wir auch seine Verbreitung so ins Auge fassen, wie sie tatsächlich durch natürliche Mittel geschieht; und die Pest ist ja auch deshalb nicht weniger ein Strafgericht, weil sie dem Zusammenhang menschlicher Ursachen und Wirkungen unterliegt; denn obwohl die göttliche Macht den gesamten Plan der Natur entworfen hat und die Natur in ihrem Lauf unterhält, hat es doch die gleiche Macht für gut befunden, Ihre eigenen tätigen Beziehungen zum Menschen, sei es die der Gnade oder die der Bestrafung, auf dem gewöhnlichen Wege natürlicher Ursachen verlaufen zu lassen, und es gefällt Gott, vermittels dieser natürlichen Ursachen als Seiner gewöhnlichen Wirkensweise zu handeln, wobei Er sich nichtsdestoweniger als Ausnahme Seine Macht vorbehält, auf übernatürliche Art zu handeln, wenn Er dazu Anlaß sieht. Nun ist es klar, daß im Falle einer Seuche kein zwingender außergewöhnlicher Anlaß für ein übernatürliches Eingreifen besteht, da doch der gewöhnliche Lauf der Dinge vollständig ausreichend und all der Wirkungen fähig zu sein scheint, die der Himmel im allgemeinen mit dem Ausbruch einer Seuche beabsichtigt. Unter diesen Ursachen und Wirkungen ist diese unsichtbare Übertragung der Krankheit, durch ihre Nichtwahrnehmbarkeit und Nichtvermeidbarkeit, ein mehr als ausreichendes Mittel, die Unerbittlichkeit der göttlichen Rache durchzusetzen, ohne daß man deshalb von übernatürlichen Ereignissen und Wundern zu sprechen braucht. Die Krankheit selbst war von so scharf eindringender Natur, und die Ansteckung wurde auf so unmerkliche Art empfangen, daß auch die genaueste Vorsicht, so sehr sie angebracht war, uns nicht sichern konnte. Aber man muß mir die Ansicht zugestehen, und ich habe frisch in meiner Erinnerung so viel Beispiele, die mich davon überzeugen, daß ich glaube, niemand wird ihrer Beweiskraft widerstehen können – ich sage, man muß mir erlauben, der Ansicht zu sein, daß kein Mensch in unserer ganzen Nation sich je die Krankheit oder die Ansteckung zuzog, es sei denn er empfing sie auf dem gewöhnlichen Wege der Übertragung von jemandem oder von jemandes Kleidern oder jemandes Berührung oder Ausdünstung, der sie vorher selbst empfangen hatte.
Die Art und Weise, in der sie zuerst nach London gelangte, beweist dies ebenfalls, nämlich vermittels der Handelsgüter, die von Holland herübergebracht wurden und die dorthin aus der Levante eingeführt worden waren; dann ihr erstes Ausbrechen in einem Haus am Long Acre, wo diese Güter angeliefert und zuerst geöffnet worden waren; ihre Ausbreitung von diesem Haus auf andere Häuser durch den Verkehr mit solchen, denen man die Krankheit nicht ansah; die Infizierung von Gemeindebeamten, die mit den Toten zu tun hatten, und ähnliches mehr. Dies sind anerkannte Beweise für meinen Hauptgrundsatz, daß die Pest von Person zu Person und
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