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Die Pest Zu London

Die Pest Zu London

Titel: Die Pest Zu London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Defoe
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wieder aufmachen und zur Pie Taverne gehen, in der festen Absicht, nachzuforschen, was aus ihm geworden war.
    Es war mittlerweile ein Uhr morgens, und doch war der arme Herr noch dort. Es verhielt sich so, daß die Leute in dem Hause ihn kannten und ihn die ganze Nacht hindurch dort behalten hatten, um ihn aufzumuntern, ohne der Gefahr zu achten, daß sie von ihm angesteckt werden könnten; freilich hatte es den Anschein, daß er selbst vollkommen gesund war.
    Ich kann dieser Schänke nur mit Bedauern Erwähnung tun. Die Wirtsleute waren höflich, gesittet und überhaupt liebenswürdige Menschen, und sie hielten bis zu dieser Stunde ihr Haus geöffnet und den Geschäftsbetrieb in Gang, wenn auch nach außen hin nicht so sichtbar wie früher; aber da war eine Handvoll übler Kerle, die in dem Hause verkehrten und die, inmitten all der Schrecken, jeden Abend dort zusammenkamen und sich mit all der lauten und lärmenden Lustbarkeit aufführten, welche man an solchen Leuten zu anderen Zeiten ja gewohnt ist, und ihr anstößiges Treiben nahm solche Formen an, daß auch der Wirt und die Wirtin sich zuerst ihrer schämten und dann vor ihnen Angst bekamen.
    Sie saßen gewöhnlich in dem Raum nächst der Straße, und da sie immer bis spät in die Nacht blieben, pflegten sie, wenn der Totenkarren in Richtung Houndsditch die Straße kreuzte, was man vom Fenster der Schänke aus sehen konnte, häufig die Fenster zu öffnen, sobald sie die Glocke hörten, und hinauszuschauen; und da sie oft das Wehklagen der Trauernden auf der Straße oder, wenn der Karren bei ihnen vorbeikam, an den Fenstern hören können, ließen sie immer ihre Spott- und Hohnreden auf sie los, besonders wenn sie die armen Leutchen zu Gott um Erbarmen rufen hörten, wie viele es damals bei ihren tagtäglichen Gängen über die Straße taten.
    Diese sauberen Gesellen fühlten sich durch die Unruhe, die das Hereinbringen des beklagenswerten Herrn verursachte, wie oben gesagt wurde, gestört, und sie führten beim Wirt ärgerliche und anmaßende Beschwerde, wie er es dulden könne, daß solch ein Kerl, wie sie ihn nannten, aus dem Grab in ihre Gesellschaft gebracht werde; aber als sie zur Antwort erhielten, der Herr sei ein Nachbar und er sei gesund und nur von dem Unglück seiner Familie übermannt und so weiter, verkehrten sie ihren Ärger in Spott und machten sich über den Mann und seinen Seelenschmerz um Weib und Kind lustig, stichelten ihn, warum er nicht den Mut habe, in die große Grube zu springen und mit ihnen zusammen, so drückten sie sich aus, in den Himmel zu kommen, wozu sie einige sehr häßliche und sogar gotteslästerliche Schimpfworte hinzufügten.
    Mit diesem nichtswürdigen Werk waren sie beschäftigt, als ich ins Haus kam; und soweit ich es sehen konnte, war der Herr, obschon er still, stumm und verstört dasaß und sich trotz ihres Affronts nicht seines Kummers entschlagen konnte, durch ihre Reden tief verletzt und beleidigt. Darauf wies ich sie sacht zurecht, derweil ich mit ihrem Charakter bestens vertraut und mit zweien von ihnen persönlich bekannt war.
    Sie fielen sofort mit Schimpfreden und Fluchworten über mich her, fragten mich, was ich zu dieser Stunde, wo so viele ehrlichere Männer zum Friedhof gebracht würden, außerhalb meines Grabes zu suchen habe und warum ich nicht daheim sei und auf den Knien liege, damit der Karren nicht auch mich holen komme, und dergleichen.
    Obwohl sie mich mit dieser Behandlung keineswegs außer Fassung bringen konnten, war ich doch recht aufgebracht über ihre Unverschämtheit. Ich behielt jedoch die äußere Ruhe. Ich sagte ihnen, daß, obwohl ich den Menschen in der Welt hören wolle, der mich einer Unehrlichkeit zeihen könne, ich dennoch zugestehe, daß in diesem schrecklichen Strafgericht Gottes viele bessere Männer als ich dahingerafft und ins Grab gebracht worden seien. Aber um auf ihre Frage mit der Antwort nicht zurückzuhalten, so sei es freilich der Fall, daß ich von dem großen Gott, dessen Namen sie gelästert und durch widerwärtige Schimpf- und Fluchreden verunehrt hätten, gnädigst bewahrt worden sei und daß ich glaubte, ich sei, unter anderen Absichten Seiner Güte, zu dem Zweck bewahrt worden, daß ich sie ob ihres unverschämten Übermutes, sich in einer solchen furchtbaren Zeit auf eine solche Art aufzuführen, zurechtweisen könne, besonders was das Ausspotten und Auslachen eines aufrechten Gentleman und Nachbarn (denn einige von ihnen kannten ihn) betreffe, der, wie sie

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