Die Pestärztin
neben dessen Karren Lucia kurz her ritt. Der Beruf dieser wandernden Volksheiler faszinierte sie. Die Meisten fanden ein gutes Auskommen, auch wenn kaum einer auch nur annähernd so viel über Medizin wusste wie Lucia selbst oder gar Al Shifa. Allerdings war der Beruf auf Männer beschränkt. Eine Frau, die als »Baderin« herumreiste, war undenkbar. »Und du wirst sogar noch rot! Dein Leben lang warst du sicher keine Hübschlerin, oder?« Der Mann sah sie gutmütig, aber auch ein wenig forschend an.
»Ich bin auch heute noch keine!«, gab Lucia zur Antwort und verhielt ihre Stute.
So ging das nicht. Wenn sie im Gefolge dieses fahrenden Volks zur Messe in die Stadt kam, hatte sie dort keine Aussicht, eine Anstellung als Magd oder Köchin zu finden. Man würde sie unweigerlich für eine wandernde Hübschlerin halten und entsprechend behandeln. Allein ein Quartier zu finden durfte fast unmöglich sein.
Und die Messe einfach abwarten? Lucia hatte keine Lust auf eine weitere Woche in den Wäldern, zumal das Hügelland hier ziemlich aufgelockert war; es würde nicht einfach sein, einen Unterschlupf zu finden.
Entschlossen wendete Lucia ihre Stute und bog auf eine alte Römerstraße ab, die an Regensburg vorbeiführte. Sie ritt weiter nach Süden.
In zwei oder drei Tagen würde sie Landshut erreichen.
2
L andshut lag im Isartal, das sich terrassenförmig zum Fluss hin absenkte. Der Fluss teilte die schmucke Handelsstadt in zwei durch Brücken miteinander verbundene Teile. Außerdem gehörte eine Flussinsel dazu. Die Burg Landshut, ein trutziger Bau, thronte auf dem höchsten Berg der Umgebung und wachte über den Ort, in dem sich viele reiche Handwerker und Kaufleute angesiedelt hatten. Selbst für Lucia war erkennbar, dass die Stadt blühte und gedieh - gerade eben war das Stadtgebiet erweitert worden, und die Arbeiten an der Stadtmauer hielten noch an. Auch sonst wurde überall gebaut; seit einem Brand vor gut zehn Jahren durften nur noch Steinhäuser errichtet werden. Im Verhältnis zu dem unter der Pest leidenden, nahezu ausgebluteten Mainz schien die Stadt Optimismus und Freude zu atmen. An den Stadttoren herrschte reger Verkehr, und Lucia wurde zwar neugierig, aber kaum misstrauisch beäugt, als sie einritt.
Die junge Frau überlegte, ob sie sich zuerst um eine Stellung oder den Verkauf ihres Maultiers kümmern sollte, und entschied sich dann für Letzteres. Es würde auffallen, wenn eine Magd ein wertvolles Reittier mit sich führte. Außerdem kam ihr das Geld gelegen. Es würde sicherlich reichen, um auf dem Markt gebrauchte Kleidung zu erstehen und vielleicht auch ein Badehaus für Frauen aufzusuchen, falls es so etwas in Landshut gab. Lucia wusste, dass sie zurzeit wie eine Landstreicherin aussah, und das würde ihre Chancen bei der Arbeitssuche kaum erhöhen.
Die junge Frau erkundigte sich also nach dem Weg zum Rossmarkt und zog dort ein wenig ziellos von einem Händler zum anderen. Wie fing man es an, mit Pferden zu handeln?
Die Händler machten es ihr allerdings leicht. Gleich die ersten riefen sie an, priesen ihre eigenen Tiere und fragten, ob Lucia ihre Stute verkaufen oder gegen ein anderes Tier tauschen wollte. Halbherzig wandte sie sich einem wenig vertrauenerweckenden Mann zu, an dessen Stand mehrere Maultiere angebunden waren. Er hatte einen zeltartigen Unterstand für die Tiere errichtet; Lucia hätte Pia lieber in einem ordentlichen, sauberen Stall gesehen. Es behagte ihr wenig, sie beim Händler einem ungewissen Schicksal zu überlassen.
»Ein nettes Tier, aber sicher nicht das jüngste!«, erklärte der Mann fachkundig und öffnete Pias Maul mit geschicktem Griff. »Bald zwanzig Jahre alt, viel kann ich Euch dafür nicht bieten ...«
Lucia runzelte die Stirn. »Sie ist gerade mal fünf, hat man mir gesagt!«, bemerkte sie.
Der Händler lachte. »Ja, da wollte man sie Euch schönreden! Auch sonst ... für ein Mädchen mag sie ein hübsches Reittier abgeben, aber kräftig ist sie nicht, und obendrein viel zu mager. Und die Beine ... sie steht hinten kuhhessig ...«
»Aber das tun doch viele Zelter!« Lucia war verunsichert. Lea hatte ihre Stute immer in den Himmel gelobt. Und nun sollte sie auf einmal ein minderwertiges Tier sein? »Sie geht sehr weich, wisst Ihr.«
»Ja, ja, aber sie ist langsam. Das seh ich schon, junge Dame! Dem Dov Williger macht so leicht keiner was vor!« Der Mann lachte und rieb sich die Hände. »Nein, Mädel, wenn ich dir das Tier für ein paar Pfennig
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