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Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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ihr Leben durchlebte, betete darum, dass sie diesen Weg gehen würde. Aber sie konnte nicht zwischen Zerknirschung und Selbsterniedrigung, zwischen Schuldanerkenntnis und Schuldzuweisung unterscheiden. Und sie konnte ihren Horror, der ihre einzige Rechtfertigung war, nicht preisgeben. In ihr gefangen erinnerte sich Covenant genau an den Augenblick, in dem er im Hintergrund ihres Verstands erstmals Augen wie Reißzähne gesehen hatte. Diese Augen, die ihre Abwehr durchdrangen und sich tief in sie verbissen, hatten ihr versichert, es gäbe keinen Unterschied zwischen Therapie und Religion. Vergebung sei nur eine andere Methode, die durch Covenants Verrat ausgelöste Krankheit, diese geistige Lepra zu akzeptieren. Wie jede Therapie erwartete die Religion von ihr, sein an ihr verübtes Verbrechen zu vergeben. Und die Schuld daran auf sich zu nehmen.
    Sie machte sich Abscheu zu eigen, weil sie ihr vertraut war. Das gefiel den Reißzähnen in ihrem Verstand. Vergebung, die ihr angeboten wurde, stieß sie erst recht in die Verlorene Tiefe ihrer Verzweiflung, von der sie definiert wurde, ihres wesentlichen und notwendigen Hasses.
    Weil sie sich verraten fühlte, vernachlässigte sie alles - sogar ihre Eltern, auch ihren Sohn -, bis sie die Gemeinschaft der Vergeltung für sich entdeckte.
    Unter diesen Gläubigen, diesen Fanatikern, schwelgte sie in Bestrafungsfantasien. Die erschienen ihr vernünftig. Sie wurde eine willfährige Beute der strengen Priester der Gemeinschaft. Sie sprach jedes Wort aus, das die Augen ihres Verstands ihr eingaben. Und als Gegenleistung erlangte sie eine Art inneren Frieden. Keinen auf Vergebung beruhenden Frieden: Die Gemeinschaft der Vergeltung verzieh nichts. Stattdessen wurde sie des Friedens der universellen Verdammung teilhaftig. Innerhalb der Gemeinschaft war sie nur tadelnswert, weil die ganze Welt es verdient hatte, angeprangert zu werden, und sie ein Teil der Welt war. In jeder anderen Beziehung - das versicherten die Gläubigen und ihre Priester ihr - war sie unschuldig, weil sie für nichts etwas konnte. Sie existierte nur; sie hatte nichts getan, nichts verursacht, nichts angerichtet. Und die Welt hatte Vergeltung verdient.
    Joan musste sich die Kosten ihres Leids von Covenant zurückholen.
    In diesem Punkt dachte sie wie er. Auf ihre eigene Art glaubte sie, Schuldgefühle seien Macht. Aber genau wie er selbst sah sie die Schuld bei ihm. Nicht etwa bei sich. Die Macht war sein. Und wenn er streng bestraft wurde, wenn er genug litt, wenn er seine Verbrechen mit dem Leben bezahlte, würden seine Todesqualen sie erlösen.
    Letztlich war sie deshalb auf die Häven Farm und zu ihm zurückgekehrt. Damit er versuchen würde, ihr zu helfen. Deshalb hatte sie sein Blut gekostet und ihn durch lichte Momente hoffen lassen. Durch ihre Schwäche hatte sie ihn auf genau die gleiche Weise, wie sie ein Pferd, das zu wild war, um für etwas anderes als die Schlachtbank zu taugen, irregeführt hätte, ins Verderben gelockt.
    Trotz ihrer Qualen und Zerbrechlichkeit kämpfte Joan weiter um Erlösung. Alles andere - Zorn und der Wüterich, wilde Magie, Selbstmissbrauch, Blutvergießen - diente nur zur Ablenkung.
    Weil sie natürlich irgendwann erkannt hatte, dass sie erneut verraten worden war. Augen wie Reißzähne hatten ihr diese Erkenntnis nicht erspart. Turiya Herem hatte sie ihr nicht erspart. Covenant war die Ursache ihres Horrors. Ihre Agonie und Erniedrigung konnten nicht enden, solange er lebte. Aber ihre Bemühungen auf der Häven Farm hatten nur zum Tod seines Körpers geführt. Sein Geist florierte im Bogen der Zeit weiter. Während sie schwächer wurde, gewann er frische Kraft. Er wurde geliebt. Er wurde sogar verehrt. Nur Vergeltung konnte ihr Erleichterung verschaffen - und die blockierte er. Schlimmer noch: Er machte sie zunichte. Indem er einfach vor ihr stand, reduzierte er sie zu einem Nichts. Sein Verrat verwandelte jeden quälenden Augenblick ihrer unaufhörlichen Pein in einen grausamen Scherz.
    Turiya ließ sie das nie vergessen. Er herrschte verächtlich über ihre Gedanken. Er leitete sie beim Gebrauch ihres Rings an. Und erinnerte sie daran, dass ihr Sohn sie hasste. Ihr eigener Sohn, der sie hätte verschonen können; der dafür hätte sorgen können, dass es aufhörte.
    Das hatte Roger ihr verweigert, weil er ihre Qualen verlachte. Er war sie nur holen gekommen, um ihr weitere Brutalitäten zuzufügen. Wie zuvor sein Vater hatte er sie restlos verraten.
    Hätte sie in ihrem

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