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Die Pfeiler der Macht

Die Pfeiler der Macht

Titel: Die Pfeiler der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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feuchter, stickiger Wohnquartiere im Hafenviertel einer Kleinstadt an der Nordostküste Englands und gehörte der Witwe MacNeil. Sie bewohnte das vordere Zimmer im Parterre, die Robinsons lebten im Hinterzimmer, und im ersten Stock hauste eine weitere Familie. Wenn Papa von der Arbeit kam, würde Mrs. MacNeil ihn auf der Türschwelle abpassen und sofort die Miete kassieren.
    Maisie hatte Hunger. Gestern hatte sie ein paar zerhackte Knochen beim Fleischer erbettelt, und Papa hatte eine Rübe gekauft und Eintopf daraus gekocht. Das war ihre letzte Mahlzeit gewesen. Aber heute war Samstag!
    Sie versuchte, nicht an das Abendessen zu denken, denn dann tat ihr der Bauch nur noch mehr weh. Um sich abzulenken, sagte sie zu
    Danny: »Heute morgen hat Papa ein Schimpfwort gebraucht.«
    »Was hat er gesagt?«
    »Er hat Mrs. MacNeil eine paskudniak genannt.« Danny kicherte. Das Wort bedeutete Schurkin. Nach einem Jahr im neuen Land sprachen die Kinder fließend Englisch, doch ihr Jiddisch hatten sie nicht vergessen.
    Ihr richtiger Name war nicht Robinson, sondern Rabinowicz. Mrs. MacNeil haßte sie, seit sie wußte, daß sie Juden waren. Sie hatte nie zuvor einen Juden gesehen, und als sie ihnen das Zimmer überließ, war es in dem Glauben geschehen, die neuen Mieter seien Franzosen. In dieser Stadt gab es wohl keine Juden. Die Robinsons hatten auch nie hierher gewollt: Ihre Überfahrt hatten sie für eine Stadt namens Manchester gebucht, wo es viele Juden gab, und der Kapitän hatte ihnen vorgeflunkert, dies hier wäre Manchester. Als sie den Betrug bemerkten, hatte Papa gesagt, sie würden sparen, bis sie nach Manchester ziehen könnten - doch dann war Mama krank geworden.
    Mama war noch immer krank, und sie waren noch immer hier. Papa arbeitete am Hafen in einem hohen Speicherhaus, über dessen Tor in großen Lettern Tobias Pilaster & Co. stand, und Maisie fragte sich oft, wer der »Co.« sein mochte. Papa arbeitete als Buchhalter bei Pilaster und erfaßte die Farbenfässer, die hereinkamen und hinausgingen. Er war ein sorgfältiger Mann, ein gewissenhafter Protokollant und Listenschreiber.
    Mama war das genaue Gegenteil von ihm, unternehmungslustig und wagemutig. Sie war die treibende Kraft gewesen, als es um die Übersiedlung nach England ging. Mama liebte Feste, Reisen, schöne Kleider und Gesellschaftsspiele und lernte gerne neue Menschen kennen. Darum liebt Papa sie auch so sehr, dachte Maisie: Weil Mama genau das ist, was er nie sein kann. Doch inzwischen war Mama nur noch ein Schatten ihrer selbst. Den ganzen Tag lang lag sie auf der alten Matratze, döste und schlief; das blasse Gesicht glänzte vor Schweiß, und ihr Atem war heiß und übelriechend. Der Doktor hatte gesagt, man müsse sie täglich mit vielen frischen Eiern und Sahne und Rindfleisch wieder aufpäppeln - und dann hatte Papa ihn mit dem Geld bezahlt, das eigentlich fürs Abendessen vorgesehen war. Inzwischen fühlte sich Maisie jedesmal, wenn sie etwas aß, schuldig, weil sie wußte, daß sie Nahrung zu sich nahm, die ihrer Mutter vielleicht das Leben retten konnte.
    Maisie und Danny hatten sich das Stehlen beigebracht. An Markttagen gingen sie auf den Marktplatz und mausten Kartoffeln und Äpfel von den Ständen. Zwar wachten die Händler mit Adleraugen über ihre Ware, doch hin und wieder wurden sie abgelenkt - durch einen Streit übers Wechselgeld, durch raufende Hunde oder einen Trunkenbold -, und dann grabschten die Kinder nach allem, was sie erwischen konnten. Wenn sie Glück hatten, lief ihnen ein reiches Kind über den Weg, das nicht älter war als sie, und dann taten sie sich zusammen und raubten es aus. Solche Kinder trugen immer etwas bei sich - eine Orange oder eine Tüte voller Süßigkeiten, und sehr oft sogar ein paar Pennys. Maisie hatte ständig Angst, sie könnten ertappt werden - Mama würde sich in Grund und Boden schämen. Aber meistens war der Hunger größer als die Angst.
    Als sie aufblickte, sah sie eine Traube von Männern die Straße entlangkommen. Wer sie wohl waren? Für Dockarbeiter waren sie noch ein wenig zu früh dran. Sie hielten zornige Reden, fuchtelten mit den Armen und stießen ihre Fäuste in die Luft. Erst als sie näher kamen, erkannte Maisie Mr. ROSS , der im ersten Stock wohnte und wie Papa bei Pilaster arbeitete. Wieso kam er schon nach Hause? Waren die Männer alle gefeuert worden? Nach Mr. ROS S ' Zustand zu urteilen, war das gut möglich. Sein Gesicht war puterrot angelaufen; er fluchte und schimpfte über

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