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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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für den Stierkampf absolut ungeeignet, aber er besteht jedes Mal darauf teilzunehmen.«
    »Aber warum?«, flüsterte Hernando zurück.
    »Vielleicht aus Stolz? Oder wegen seiner Ehre? Wer weiß?«
    Sobald der fette Graf auf dem Platz war, schrie einer der Lakaien die Männer in der Arena an, den Stier in Ruhe zu lassen, damit sein Herr mit dem Kampf beginnen könne. Die Leute folgten der Aufforderung und verzichteten verärgert auf den Spaß, den ihnen die anderen Adligen üblicherweise gönnten, und sie pfiffen missmutig, als der Graf von Espiel den Stier zwar reizte, dann aber zuließ, dass sein Pferd nach links auswich, um den bevorstehenden Angriff besser abwehren zu können. Hernando sah zu den übrigen Adligen, denen das Lächeln vergangen war. Einige von ihnen schüttelten nur den Kopf. Trotz der vorteilhaften Ausgangsposition des Pferdes versagte der Graf auf ganzer Linie: Der Stier riss genau in dem Moment seinen Kopf hoch, als der Graf mit der Lanze angreifen wollte. So bohrte er die Waffe mit aller Kraft in die Schnauze des Stieres, bevor sie ihm aus der Hand glitt. Der Graf fluchte daraufhin lieber ausgiebig, statt sein Pferd sofort von dem flinken Stier wegzubewegen – und konnte den nun folgenden Angriff des Stieres deshalb nicht mehr abwehren.
    Er gab dem Pferd zwar im letzten Moment noch die Sporen, aber der Stier hatte seine zwei gewaltigen Hörner schon in den Bauch des Tieres gebohrt. Der Graf fiel zu Boden, doch das Pferd konnte sich nicht befreien. Der flinke Stier tat einige Sätze nach vorn und schlitzte den Pferdeleib dabei mit einer Geschwindigkeit auf, als wäre sein Fell nur ein dünnes Stück Stoff. Die verzweifelten Todesschreie des Pferdes erfüllten die Plaza de la Corredera und fuhren den Zuschauern durch Mark und Bein. Der Stier senkte den Kopf und machte sich wütend über sein Opfer her, immer wieder rammte er die Hörner in das Pferd und schleifte es weiter über den Platz. Er ließ sich dabei von keinem der Manöver der herbeieilenden Reiter ablenken. Mit einem heftigen Krachen wurde das Pferd vom Stier gegen die Absperrung geschleudert, hinter der Hernando stand. Er bekam etwas von dem umherspritzenden Blut ab, als der Stier das Pferd am Boden hin und her warf und die Eingeweide langsam hervortraten.
    Plötzlich stand der Graf von Espiel mit seinem Degen vor dem Stier und dem toten Pferd.
    »Toro!«, rief er und hielt die Waffe mit beiden Händen in die Höhe.
    Der Stier nahm die Herausforderung an und hob seinen mit Blut besudelten Kopf. In dem Moment verpasste ihm der Adlige einen überraschend kräftigen Hieb in den Nacken. Die Waffe aus wertvollem Toledostahl fuhr durch den muskulösen Stiernacken, und das Tier sackte leblos neben das inzwischen tote Pferd.
    Da der Stierkämpfer ein Graf war – immerhin ein spanischer Grande –, zollten ihm seinesgleichen schleppend Beifall. Als der Graf von Espiel aber seinen blutigen Degen zum Zeichen seines Sieges nach oben riss, brach auf der Plaza de la Corredera tosender Applaus aus, den der Graf stolz entgegennahm.
    »Ein Pferd!«, schrie er.
    Hernando und die Umstehenden mussten wieder zur Seite treten, damit der Lakai zur Plaza de la Paja laufen und ein frisches Ersatzpferd holen konnte.
    »Wozu braucht er denn jetzt noch ein Pferd?«, fragte Hernando.
    »Die Adligen«, antwortete der Diener, »müssen den Platz nach dem Stierkampf auf dem Rücken eines Pferdes verlassen. Sie können nicht einfach zu Fuß weggehen. Wenn ein Pferd beim Kampf stirbt, bringt man ihnen ein neues. Das passiert dem Grafen übrigens nicht zum ersten Mal«, sagte er noch, als der Lakai gerade einen hochgewachsenen dunkelbraunen Zuchthengst herbeiführte.
    »Ein Pferd! Sofort!«, brüllte der Graf.
    Hernando und der Diener halfen, die Absperrung weit genug für das stolze Reittier zu öffnen, aber sobald der Hengst die toten Tiere vor sich sah und die ausgedehnte Blutlache um sie herum roch, bäumte er sich auf und riss sich vom Lakaien los. Ein Diener versuchte, die Zügel zu fassen zu bekommen, aber das Tier war nicht zu bändigen. Es wieherte wie von Sinnen und stellte sich auf die Hinterbeine, streifte dabei die Köpfe der Diener und schlug immer wieder heftig aus. Zwei Männer kamen durch Hufschläge in die Magengrube zu Fall, einen dritten erwischte es am Kopf. Der Graf forderte lautstark nach einem Pferd, aber das Gedränge an der Absperrung und die hektischen Bewegungen der Diener, die das Tier einfangen wollten, machten es nur noch wilder. Einige

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