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Die Pfeiler des Glaubens

Die Pfeiler des Glaubens

Titel: Die Pfeiler des Glaubens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ildefonso Falcones
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und spazierte in den Straßen um die Kirche San José im Albaicín umher. Der Glockenturm dieses Gotteshauses war einst das Minarett der Moschee der Almoraviden gewesen. Aber anders als bei der Torre Turpiana hatte man die Moschee ganz zerstört und nur das Minarett verschont. Am Vorabend hatte er sich noch bei Don Pedro unter vier Augen über Don Ponce de Hervás erkundigt. Er wollte erfahren, ob seine Liebschaft mit Isabel ein Nachspiel hatte.
    »Nein, keineswegs«, hatte ihn der Adlige beschwichtigt. »Ich habe dir ja gesagt, dass der Richter keinerlei Interesse an einem Skandal hat. Du kannst unbesorgt sein.«
    Hernando ergötzte sich an der Architektur des Turmes: Unten war das Mauerwerk aus hellen Quadern, oben aus versetzten Ziegeln erbaut. Der große Durchbruch im offenkundig islamischen Hufeisenbogen, der fast über die gesamte Breite der Mauer ging, zog ihn in Bann. Er versuchte, sich in die Vergangenheit zurückzuversetzen, als die Muslime von diesem Minarett aus zum Gebet gerufen wurden. Beinahe hätte er die beiden Frauen übersehen, die mit den übrigen Gottesdienstbesuchern aus der Kirche kamen. Doch die Sonne ließ selbst unter dem zarten schwarzen Spitzentuch, das ihren Kopf bedeckte und ihr Gesicht einrahmte, Isabels hellblondes Haar aufleuchten. Hernando stockte bei ihrem Anblick der Atem: Isabel schritt stolz und unnahbar dahin. Doña Ángela wich nicht von ihrer Seite und sah sich mürrisch um. Keine der beiden Frauen beachtete ihn. Sie liefen wortlos nebeneinander her. Hernando blickte den beiden Frauen nach, die in Richtung Carmen gingen. Bereits am Vorabend hatte der Anblick der erleuchteten Alhambra in Hernando die Flügel der wiedererwachten Leidenschaft schlagen lassen. Er ließ Isabel nicht aus den Augen und folgte den beiden Frauen im Strom der übrigen Kirchgänger des Pfarrbezirks in einem gewissen Abstand. Was konnte er machen? Doña Ángela gestattete ihm gewiss nicht, auch nur ein Wort mit Isabel zu wechseln, und wenn die Frauen erst beim Carmen angekommen waren, konnte er sie nicht mehr ansprechen. Da fiel sein Blick auf vier Burschen, die auf der Straße herumlungerten. Geistesgegenwärtig zückte er ein Geldstück und hielt es ihnen vor die Nase. Schon standen die Kerle bereit.
    »Seht ihr die zwei Frauen dort?«, fragte Hernando leise. »Ich will, dass ihr hinter ihnen herlauft und dann die kleinere Frau ein wenig anrempelt. Danach lenkt ihr sie eine Weile ab. Aber die andere fasst ihr mir nicht an, verstanden?«
    Die vier Burschen nickten, und sobald der Älteste die Münze an sich gerissen hatte, rannten sie los. Hernando eilte ebenfalls die Straße hinab. Er wich den ihm entgegenströmenden Männern und Frauen aus und überlegte, ob er womöglich zu weit gegangen war. Immerhin war die Cousine des Richters eine ältere Dame …
    Ein Aufschrei gellte durch die Gasse, als Doña Ángela der Länge nach zu Boden fiel. Hernando schüttelte den Kopf. Nun gab es kein Zurück! Die Burschen mussten sich für Doña Ángela gar nichts mehr einfallen lassen: Sofort umringten zahlreiche Fußgänger die beiden Frauen, während die Jungen unter Beschimpfungen und Schlägen flüchteten. Hernando näherte sich der Gruppe. Zwei Männer versuchten Doña Ángela aufzuhelfen, andere sahen nur zu, und einige Männer gestikulierten wild hinter den Jungen her. Isabel beugte sich über Doña Ángela. Während die beiden Männer die Gestürzte unter den Achseln fassten, schien Isabel zu spüren, dass sie beobachtet wurde. Sie richtete sich auf und sah sich um. Da erblickte sie Hernando, der ihr direkt gegenüberstand.
    Sie warfen sich durchdringende Blicke zu. Isabels Augen leuchteten. Hernando überlegte, ihr zuzulächeln, ihr einen Luftkuss zu schicken, um die Gruppe herumzugehen, sie am Arm zu packen und mitzunehmen oder einfach hinauszurufen, dass er sie begehrte. Aber er tat nichts von all dem. Sie auch nicht. Sie starrten einander an, bis Doña Ángela wieder ohne Hilfe stehen konnte. Hernando sah, wie eine Frau Sand vom Gewand der Cousine klopfte, während diese hochmütig die Hilfe abwies, als wollte sie schnellstmöglich weitergehen. Als Hernando wieder zu Isabel blickte, standen Tränen in ihren Augen, und ihr Kinn bebte. Hernando machte einen Schritt auf sie zu, doch Isabel biss sich auf die Unterlippe und schüttelte kaum merklich den Kopf. Ihr Gesichtsausdruck ging Hernando durch Mark und Bein. Dann setzten die beiden in Begleitung der hilfsbereiten Frau ihren Weg fort: Die Cousine hinkte

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