Die Pfeiler des Glaubens
Abendmahl an Jesus schmiegte.
Dann war es so weit: Die Schlüssel öffneten tatsächlich den Zugang zur Kapelle des heiligen Barnabas, und er glitt lautlos in den altbekannten Schrank.
Gegen Morgen, als die Kathedrale noch menschenleer war und die Wächter in der abgelegenen Schatzkammer beisammensaßen, entlud sich ein tosendes Unwetter über Córdoba. Immer wieder erleuchteten Blitze die Gebetshalle und warfen ihr flackerndes Licht auf einen Mann, der vor dem Mihrab der großartigsten Moschee des Westens kniete – auf einen Mann, der in Gedanken versunken war und einen Plan schmiedete, mit dem es ihm womöglich gelingen konnte, die beiden Religionen endlich einander anzunähern.
52
Granada, März 1588
H ernando bezog auf Einladung von Don Pedro de Granada ein Zimmer in der Casa de los Tiros. Unter dem Vorwand, die Domherren zu treffen und mit ihnen über seinen Bericht zu sprechen, war er nach Granada aufgebrochen und hatte erneut die unheilvolle Strecke zurückgelegt, die bei der Vertreibung der Morisken aus Córdoba so viele Todesopfer gefordert hatte. In der warmen Märzsonne waren die Felder zu neuem Leben erwacht, und Hernando hatte am Grab des kleinen Humam – für ihn die Grabstätte seiner gesamten Familie – gebetet.
In Granada erwarteten ihn Miguel de Luna und Don Alonso del Castillo, der eigens aus El Escorial angereist war. Als sie sich im Goldenen Zimmer eingeschlossen hatten, zeigte Hernando ihnen eine kleine, mit Teer abgedichtete Bleitruhe. Er öffnete sie und holte feierlich ein Leinentuch, eine kleine Tafel mit dem Bildnis der Jungfrau Maria, einen Knochen und ein Stück Pergament hervor. Die vier Männer betrachteten die Gegenstände und schwiegen.
»Im Minarett am Palast des Herzogs«, begann Hernando, »habe ich ein altes Pergament gefunden. Es stammt vermutlich aus der Zeit der Kalifen«, fuhr er mit einem Lächeln zu Luna fort. »Ich habe nur den beschriebenen Teil abgetrennt, und schon hatte ich ein unbeschriftetes Stück, auf dem ich ein kleines Rätsel für die Christenheit verfasst habe.« Dann entfaltete er das Pergament und hielt es an den oberen Ecken fest. »Es ist ein großes Schachbrett.«
In der Mitte befanden sich zwei Tabellen. Die obere enthielt achtundvierzig Spalten und neunundzwanzig Reihen – in jedem Kästchen stand ein arabischer Buchstabe. In der unteren mit fünfzehn Spalten und zehn Reihen war in jedem der etwas größeren Kästchen ein arabisches Wort zu lesen. Luna und Castillo stellten zufrieden fest, dass weder die Buchstaben noch die Worte verräterische Vokale oder Punkte aufwiesen. Sie prüften das Pergament sorgfältig.
»Prophezeiung des Apostel Johannes«, las Castillo den arabischen Text laut vor. »Über die Zerstörung und das Gericht der Völker und über die Verfolgungen, die danach weitergehen werden, bis zum Tag, der in dem außerordentlichen Evangelium bestimmt ist. Übermittelt durch den Gelehrten und heiligen Glaubensdiener Dionysios Areopagita.« Der Übersetzer richtete sich auf. »Großartig!«, rief er begeistert. »Was steht noch dort?«, fragte er dann mit Blick auf die Zeilen an den Rändern des Pergaments.
»Wenn man die Buchstaben und Worte miteinander in Verbindung setzt, kann man scheinbar eine Prophezeiung herauslesen, die Dionysios, der Bischof von Athen, dem heiligen Caecilius übermittelt und die dieser aus dem Griechischen übersetzt hat. Darin wird die Ankunft des Islam vorausgesagt, die Abspaltung der Protestanten und all das übrige Leid, das das Christentum schwächen wird, wie der Zerfall in viele Sekten. Aber aus dem Osten wird ein König kommen, der die Welt beherrschen wird, der eine einzige Religion einführen und all diejenigen bestrafen wird, die lasterhaft lebten.«
»Grandios!«, rief Don Pedro de Granada und klatschte in die Hände.
»Was ist das für eine Unterschrift, dort unten auf dem Pergament?«, wollte Luna wissen.
»Das Dokument ist vom heiligen Caecilius unterzeichnet, dem Bischof von Granada.«
»Und was ist das?«, erkundigte sich Castillo und blickte auf die übrigen Gegenstände auf dem Tisch.
»Nach dem, was hier steht, ist es das Tuch der Jungfrau Maria«, erklärte Hernando und zeigte auf den dreieckigen Leinenstoff, »mit dem sie Jesus auf dem Kreuzweg die Tränen trocknete. Das ist ein Täfelchen der Jungfrau, und das ein Knochen des heiligen Stephanus.«
»Schade!«, entfuhr es Pedro. »Das sind immer noch nicht die Reliquien des heiligen Caecilius, nach denen die Christen so
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