Die Pfeiler des Glaubens
wurde noch größer, als sie merkten, wie sehr sich Don Martín und Andrés um den Jungen bemühten – so als wollten sie den Bastard des Priesters vor Mohammeds Anhängern retten.
Als Hernando seiner Mutter später die frisch geernteten Oliven gab, konnte sein Lächeln Aischa nicht täuschen. Sie fuhr ihm zärtlich durchs Haar, wie immer, wenn sie ihn traurig erlebte, und er ließ es trotz der anwesenden vier Stiefgeschwister zu. Seine Mutter konnte ihm nur äußerst selten ihre Liebe zeigen – nur dann, wenn sein Stiefvater nicht da war. Ibrahims Hass gegen den Nazarener mit den blauen Augen, den Lieblingsschüler der christlichen Geistlichen, war mit der Geburt seiner eigenen vier Kinder nur noch größer geworden. Mit neun Jahren wurde Hernando in den Stall verbannt und durfte nur noch dann im Wohnhaus essen, wenn sein Stiefvater unterwegs war. An diesem Tag stand das Essen bereits auf dem Tisch, und Hernandos vier Stiefgeschwister warteten auf ihn. Selbst der Jüngste, der vierjährige Musa, zog in seiner Anwesenheit ein mürrisches Gesicht.
»Im Namen des barmherzigen und gnädigen Gottes«, sagte Hernando, ehe er sich auf den Boden setzte.
Der kleine Musa und sein siebenjähriger Bruder Aquil taten es ihm gleich und griffen mit den Fingern nach dem Essen: Lamm und Artischocken, mit Minze, Koriander und Safran in Essig und Öl gekocht. Raissa und Zahara, seine beiden Stiefschwestern, warteten darauf, dass die männlichen Familienmitglieder mit dem Essen fertig waren, damit sie selbst beginnen konnten.
Nach dem Lammgericht brachte die elfjährige Zahara noch ein Tablett mit Rosinen, aber Hernando blieb keine Zeit: Er hörte ein dumpfes Klappern in der Ferne und hob den Kopf. Seine Stiefbrüder bemerkten seine Unruhe und hörten auf zu essen. Keiner konnte die Ankunft der Maultiere so früh hören wie Hernando.
»Die Alte kommt!«, rief der kleine Musa.
Ibrahim kehrte nach Hause zurück.
»Lob sei Gott«, beendete Hernando die Mahlzeit und stand schnell auf.
Draußen wartete die ausgezehrte Alte geduldig auf ihn, sie trug kein Zaumzeug und war mit Sattelwunden übersät.
»Komm, Alte«, sagte Hernando und führte sie in den Stall.
Das ungleichmäßige Klappern der Hufe begleitete sie. Im Stall legte er ihr etwas Stroh hin und strich ihr über den Hals.
»Wie war die Reise?«, flüsterte er und untersuchte eine Wunde, die sie vorher noch nicht gehabt hatte.
Er sah ihr kurz beim Fressen zu, dann lief er schnell los – den Berghang hinauf. Sein Stiefvater erwartete ihn bestimmt schon im Versteck etwas abseits des Weges nach Ugíjar. Hernando lief einige Zeit querfeldein und achtete darauf, keinem Altchristen zu begegnen. Er umging die eingesäten Terrassenfelder und alle anderen Stellen, an denen zu dieser Tageszeit womöglich noch gearbeitet wurde. Ein wenig außer Atem gelangte er an eine nur schwer zugängliche Stelle, von der aus man auf die steile Felswand blicken konnte, wo Ibrahim bereits auf einem Vorsprung auf ihn wartete. Hinter dem Morisken standen die sechs schwer beladenen Maultiere, und im Fels konnte man viele Öffnungen erkennen, die in kleine Höhlen führten.
Ibrahim war ein großer, kräftiger Mann mit Vollbart. Er trug einen grünen Hut mit breiter Krempe und einen halblangen blauen Umhang, unter dem ein kurzer plissierter Rock hervorragte, der die Oberschenkel vor der Kälte schützte. Die Unterschenkel waren nackt, und an den Füßen trug er Lederschuhe mit Riemen. Zum Jahreswechsel würden die neuen Gesetze in Kraft treten. Dann musste Ibrahim wie alle Morisken im Königreich Granada seine Volkstracht gegen die übliche Kleidung der Christen eintauschen. Im Gürtel glänzte – obwohl dies schon jetzt verboten war – ein Krummdolch.
Als er seinen Stiefvater in der Ferne erblickte, verlangsamte Hernando seinen Schritt. Die Furcht, die ihn in dessen Nähe immer über kam, bedrückte ihn. Wie würde er ihn diesmal empfangen? Beim letzten Mal hatte er ihm eine Ohrfeige verpasst, weil er sich angeblich verspätet hatte, dabei war er ohne Umwege zu ihrem Treffpunkt gerannt. Auf den letzten Schritten zu Ibrahim beeilte er sich wieder.
»Warum kommst du so spät?«, fuhr ihn sein Stiefvater an.
Als Hernando sich an seinem Stiefvater vorbeizwängte, ging er in Deckung. Dennoch traf ihn ein heftiger Schlag am Kopf. Er stolperte auf das erste Maultier zu und schlüpfte dann geschickt an den übrigen Tieren vorbei in eine der Felshöhlen hinein. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren,
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